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Bewegungswissenschaft

Bewegungswissenschaft

Titel: Bewegungswissenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wollny
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Anfänger häufig – wie in Kapitel 1 beschrieben – durch die kurze Bewegungszeit, die große Bewegungsdynamik, die große Komplexität (viele hintereinander geschaltete motorische Anforderungen), die hohe Organisation sportmotorischer Fertigkeiten (zahlreiche gleichzeitige motorische Anforderungen) und die variablen, schnell wechselnden Situationsbedingungen übermäßig beansprucht. Derartige Überforderungen versuchen die in Tabelle 12 aufgelisteten Vereinfachungsstrategien zu reduzieren. Hierbei handelt es sich um die Präzisierung und Weiterentwicklung bewährter Methodenkonzepte des Sports: die Prinzipien der Verkürzung der Programmlänge (Bewegungslänge), der Verringerung der Programmbreite (Bewegungsbreite), der Unterstützung der Programminvarianten und der Veränderung der Kennwerte der variablen Programmparameter.
    Verkürzung der Programmlänge. Wird der Anfänger damit überfordert, mehrere Sequenzen einer Bewegungstechnik schnell hintereinander auszuführen, d. h., ist die Bewegung zu lang (hoher Komplexitätsgrad), greift das Prinzip der Verkürzung der Programmlänge. Diese Erleichterungsmaßnahme wird dann lernwirksam, wenn die Fertigkeit aus isolierten, sukzessiv zu realisierenden Sequenzen besteht. Der Schüler übtdie einzelnen Bewegungssequenzen zunächst einzeln und fügt sie anschließend zur Zielfertigkeit zusammen. Die Verkürzung der Programmlänge beschreibt R OTH (1990, S. 13) bildhaft mit der Schnittführung einer Programmschere. „Wenn die zu erwerbenden invarianten Elemente durch die Aufgliederung nicht verändert werden sollen, darf in keinen der Einzelimpulse 'hineingeschnitten' werden. Die 'Schere' ist nur an jenen Stellen anzusetzen, an denen es nicht erforderlich ist, viele verschiedene Impulse zeitlich simultan zu koordinieren“ ( vgl. Abb. 47 ).
    Tab. 12: Vereinfachungsprinzipien beim Neuerwerb sportmotorischer Fertigkeiten

    Das Vereinfachungsprinzip der Verkürzung der Programmlänge funktioniert besonders gut bei azyklischen Bewegungen, jedoch nur bedingt bei zyklischen Fertigkeiten, da beim Laufen, Rudern oder Radfahren die einzelnen Bewegungssequenzen zu eng miteinander verzahnt sind. Zyklische Bewegungen der rechten und linken Körperhälfte (Brustschwimmen, Skilanglauf, Nordic Walking usw.) können durch die Verkürzung der Programmlänge ebenfalls nicht geschult werden. Ausnahmen bilden sportmotorische Techniken mit asynchronem Einsatz der oberen und unteren Körperextremitäten (Delfinschwimmen, Jazztanz usw.). Abbildung 48 veranschaulicht die Programmzergliederung bei azyklischen Bewegungen am Beispiel der elektromyografischen Innervationsmuster der Speichgriffkippe am Barrenende im Gerätturnen. Dargestellt sind die inzeitlicher Hinsicht vergleichbaren Impuls-Timing-Muster der Beinschwungbewegung innerhalb der Speichgriffkippe (Abb. 48a) und einer Vorübung zum Kennenlernen des Abbremsens der Beinaktion während der Zielfertigkeit (Abb. 48b).

    Abb. 47: Prinzipien der Verkürzung der Bewegungslänge (vertikale Programmschere) und der Verringerung der Bewegungsbreite (horizontale Programmschere; mod. nach R OTH , 1990, S. 13)
    Verringerung der Programmbreite. Bei simultan auszuführenden Sequenzen, d. h., der Athlet muss mehrere Bewegungsteile gleichzeitig realisieren (hoher Organisationsgrad), ermöglicht es die horizontale Schnittführung der Programmschere, ausgewählte Bewegungsabschnitte einzeln zu erwerben (R OTH , 1990; vgl. Abb. 47 ). Nicht geeignet ist die Verringerung der Programmbreite bei sportmotorischen Fertigkeiten, deren Einzelsequenzen in enger Wechselwirkung zueinander stehen (Schraubensalto, Arm- und Beinbewegung bei der Powerhalse im Windsurfen usw.).
    Wer an den generellen methodischen Aspekten des Lehrens und Lernens schwieriger geschlossener und offener Fertigkeiten des Sports interessiert ist, dem liefert das Grundlagenwerk der B IELEFELDER S PORTPÄDAGOGEN (2003) zahlreiche praxisorientierte Anregungen.
    Unterstützung der Programminvarianten. Bei Bewegungsfertigkeiten mit einem hohen Organisationsgrad können die invarianten Programmbestandteile durch externe Ausführungshilfensinnvoll unterstützt werden. Zur Verdeutlichung der strukturellen Bewegungsmerkmale eignen sich indirekte akustische Rhythmusvorgaben (Anlauf beim Speerwurf, Bodenkontakte beim Dreisprung, Schwungbeineinsatz beim Fosbury-Flop usw.), visuelle Orientierungshilfen zur Kennzeichnung des räumlich-zeitlichen Bewegungsverlaufs (z. B. Markierungspunkte zur

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