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Beweislast

Beweislast

Titel: Beweislast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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sind.«
    Häberle konnte sich denken, was jetzt kam. »Diese in Ulm …?«, nickte er fragend.
    »Genau. Wir haben dieser Sache bisher keine Bedeutung beigemessen. Deshalb schlag ich vor, dass wir da nochmal nachbohren sollten.«
    Der Chefermittler kniff die Lippen zusammen und sah seine beiden Kollegen nacheinander an. »Es sieht zwar nur nach einem Nebenkriegsschauplatz aus«, stellte er schließlich fest, »aber mir geht es genauso wie euch: Die Staatsanwaltschaft hält viel zu sehr an der DNA-Geschichte fest. Sie stellen sich zwar auf den Standpunkt, das Gericht soll die Indizien bewerten und da haben sie ja auch recht, aber falls die Sache doch auf die falsche Schiene abgedriftet ist, sperren sie den Falschen ein.«
    Linkohr nickte eifrig und auch der Kollege ließ Zustimmung erkennen, meinte aber: »Wer mit DNA überführt ist, kommt nicht mehr raus. Da hast du keine Chance. Ich bin zwar auch dafür, dass wir diesen Dingen nochmal nachgehen – aber dem Ketschmar wirds nicht helfen, glaubt mir. Egal, was der Grauer getrieben hat.«
     
    Monika und Chrissi waren mit Manuel gekommen. Sie saßen in dem neongrell erleuchteten Besprechungsraum auf unbequemen Stühlen. Ein uniformierter Vollzugsbeamter hatte lustlos an der Oberkante des Tisches Platz genommen, während sich Ketschmar und seine Besucher gegenübersitzen mussten. Damit war sichergestellt, dass keine verbotenen Gegenstände heimlich übergeben werden konnten. Diese Regelung galt nur bei Privatbesuchen. Kam Manuel allein und als Anwalt, durfte er unter vier Augen mit seinem Mandanten reden. Heute jedoch war er als Familienangehöriger mitgekommen.
    Ketschmars Augen waren feucht geworden, als er Ehefrau, Tochter und Schwiegersohn nacheinander begrüßt hatte. Monika weinte, Chrissi kämpfte mit den Tränen. Wieder einmal blieb ihnen nur diese eine halbe Stunde – und dies alle zwei Wochen. So besagte es die Vorschrift. Und jedes Mal, wenn sie kamen, stellten sie mit Sorge fest, wie Gerhard magerer wurde. Die Falten im Gesicht, so schien es ihnen, waren tiefer, die Haare grauer. Von dem einst optimistisch gestimmten Menschen, den während seines Berufslebens nichts hatte aus der Bahn werfen können, war eine gebrochene Persönlichkeit geblieben. Er war nur noch der Schatten seiner selbst.
    Es fiel ihnen zunehmend schwerer, ein Gespräch zu beginnen. Was war denn auch schon noch wirklich wichtig, seit er in U-Haft saß? Zuhause und hier, unterwegs und bei allem, was sie taten, beschäftigte sie nur die eine Frage: Warum beharrten die Ermittlungsbehörden derart stur darauf, dass nur Ketschmar der Täter sein konnte? Warum wurden Manuels Schriftsätze und Anregungen meist barsch abgeschmettert? Mehrmals bereits war Manuel drauf und dran gewesen, einen Privatdetektiv einzuschalten. Doch jetzt hatte er bei einem Telefongespräch mit Häberle erfahren, dass man offenbar bereit war, einige weitere Punkte zu klären. Manuel beschloss aber, dies vorläufig für sich zu behalten, um nicht wieder falsche Hoffnungen zu wecken.
    Ketschmar stützte sich mit den Ellbogen auf der zerkratzten Tischplatte ab und schlug die Hände vors Gesicht. »Entschuldigt bitte«, sagte er und schluckte, »entschuldigt. Aber lang ertrag ich das nicht mehr.«
    Sie schwiegen. Manuel verdrängte sofort den Gedanken, wie lange sein Schwiegervater dies im schlimmsten Fall noch aushalten musste und dass dies 15 lange Jahre sein konnten, die er dann aber wohl nicht überleben würde.
    »Wir sind bei dir«, sagte der junge Anwalt deshalb, »wir sind bei dir, immer – egal, was geschieht.«
    »Hat das denn alles keinen Wert?« Ketschmar hatte den Kampf mit den Tränen verloren. Er schluchzte hemmungslos. »Hat das, was du denen schreibst, gar keinen Wert?« Tränen tropften zwischen seinen Fingern auf den Tisch. »Bin ich nur noch eine Akte? Manuel …« Ketschmars Stimme erstickte. »Ich will das nicht mehr lesen. Ich kann nicht mehr … Versteht ihr?«
    Monika hätte ihn jetzt so gerne in den Arm genommen, doch über den Tisch hinweg war er unerreichbar weit entfernt. Wie seit ewigen drei Monaten schon. Sie hatten ihn ihr weggenommen. Chrissi weinte auch. Der Vollzugsbeamte an der Oberkante des Tisches verfolgte die Szenerie mit versteinerter Miene und emotionslos. Wie viele Dramen und Tragödien mochte er hier schon miterlebt haben, dachte sich Manuel.
    Gerhard Ketschmar war mit dem Oberkörper auf die Tischplatte gesunken. Er zitterte. »Es ist doch sowieso aus«, flüsterte er, schwer

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