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Beweislast

Beweislast

Titel: Beweislast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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eine Bemerkung zu verkneifen. »Es gibt aber noch 49 andere Fotos. Vielleicht ergeben sich daraus Ansatzpunkte. Es sind weitere Landschaftsaufnahmen drauf, meist mit irgendwelchen Baustellen – und alle innerhalb der letzten vier Wochen gemacht, falls die Daten der Kamera stimmen.«
    Jetzt hielt es Bruhn nicht mehr zurück: »Baustellen? Was denn für Baustellen? Haben Sie schon nachgefragt?«
    Als ob man den Toten noch hätte fragen können, dachte Specki, wusste jedoch, dass jetzt höchste Vorsicht geboten war, um nicht von Bruhn öffentlich zermalmt zu werden. »Wir haben die Fotos gerade eben erst gesichtet«, entgegnete er zurückhaltend, »ich denke, dass es anhand der Landschaften möglich sein wird, die Örtlichkeiten zu identifizieren.«
    Häberle lächelte seinem Kollegen zu. »Jetzt sind Kollegen mit guter Ortskenntnis gefragt.« Eher beiläufig fügte er hinzu: »Aber dieses Kriterium spielt ja heute bei der Polizeiführung keine große Rolle mehr.«
    Bruhns Glatzkopf verfärbte sich rot.

20
     
    Sein Lieblingsessen lag ihm diesmal bleischwer im Magen. Als sie in die schmucke Einliegerwohnung zurückgekehrt waren, hatte sich Ketschmars depressive Stimmung trotz der drei Weizenbiere nicht gebessert. Im Gegenteil. Krampfhaft hatten sie sich um ein lockeres, amüsantes Gespräch bemüht. Doch Monika war es nicht gelungen, ihn aufzumuntern. Jetzt war er müde, hundemüde. Nicht wegen eines arbeitsreichen Tages, wie dies früher der Fall gewesen war, sondern wegen der Rat- und Mutlosigkeit. Monika dimmte das Licht und kuschelte sich zu ihm auf das Ecksofa. Im Radio kamen die 24-Uhr-Nachrichten.
    »Irgendetwas ist geschehen«, begann Monika und streichelte ihm zärtlich übers Haar, »hängt es wirklich nur mit deinen gestrigen Gesprächen zusammen?«
    Er schluckte und drückte sie fester an sich, denn er wollte einen direkten Blickkontakt vermeiden.
    »Womit auch sonst solls zusammenhängen?«
    Sie zuckte mit den schlanken Schultern. »Wir haben doch mal gesagt, dass wir über alles reden werden.«
    Gerhard räusperte sich. »Natürlich, und das tun wir doch.« Er hatte plötzlich den Eindruck, seine eigene Stimme sei ihm fremd.
    »Auch jetzt?«
    »Auch jetzt, ja.« Er schloss die Augen und nickte.
    »Wenn ich dich jetzt etwas frage …« Sie hielt kurz inne, ohne den Kopf von seiner Brust zu heben, in der sie sein Herz pochen hörte, »wenn ich dich jetzt etwas frage, dann nur, weil wir über alles reden wollen – und weil wir uns beistehen. Immer. Egal, was kommt.«
    Er öffnete die Augen und starrte zu der abgedimmten Lampe. Es war ihm, als sei ihm das Blut aus Beinen und Armen gewichen. Jetzt war es so weit. Er hatte es geahnt. Es war seit Stunden zwischen ihnen gestanden, unausgesprochen, wie ein Schatten. Wie ein drohendes Unheil. Und er war geflüchtet. Doch er hätte bis ans Ende der Welt flüchten können, ohne diesen Schatten jemals abschütteln zu können. Es gab Dinge, die wurde man nicht los. Nie mehr.
    »Hat es mit deiner Fahrt zum Steinberghof zu tun?« Monikas Stimme klang auch jetzt noch zärtlich, wenngleich unmissverständlich eine Antwort erwartet wurde.
    Er holte tief Luft. Allein schon sein Zögern war für Monika Antwort genug. Auch sie atmete tief, ohne sich etwas anmerken zu lassen. Sie wusste plötzlich, dass sie Kraft brauchen würde. Viel Kraft.
    Dann erst schüttelte er langsam den Kopf. »Nicht so, wie du denkst«, sagte er schließlich. Seine Stimme war belegt. »Nicht so – ich hab nur Angst«, er drehte den Kopf zu ihr hin und spürte ihre Haare an seinem Kinn, »nur Angst, dass sie mir etwas andichten wollen.«
     
    Angst. Da war es schon wieder. Man hatte ihn in die Enge getrieben. In der Schule, bei der Ausbildung, später auch noch beim Studium. Erst nachdem er sich als Bauingenieur eine verantwortungsvolle Position gesichert hatte, war das Gefühl von Angst und Enge verschwunden. Wann genau, vermochte er nicht mehr zu sagen. Das waren die Jahre des steten Aufstiegs, als Zeit noch keine Rolle spielte, als er, das Arbeiterkind, auf der Straße des Erfolgs war. Wieder sah er die Brücken und Großprojekte vor sich, die Umgehungsstraßen und Kläranlagen, die er gebaut hatte.
    Und nun schien es, als würden all diese Straßen, die er durch die Landschaft gezogen hatte, auf einen Abgrund zugeführt worden sein. Auf einen Abgrund, mit dem keiner gerechnet hatte. Weil sie sich alle verrechnet hatten. Weil nicht weit genug vorausgeblickt worden war.
    Und nun stand er vor

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