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Beweislast

Beweislast

Titel: Beweislast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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einer Handbewegung des Anwalts erkannte er, dass dieser seinem schwiegerväterlichen Mandanten zu Gelassenheit riet.
    Der Angeklagte schüttelte daraufhin den Kopf. »Nein, natürlich nicht«, gestand er sich ein. »Aber soll man sich von diesen arroganten und selbstgefälligen Burschen alles gefallen lassen? Soll man vor Ehrfurcht versinken?«
    Natürlich nicht, dachte Häberle und empfand eine gewisse Sympathie für den Mann. Er erschrak über diesen Gedanken, denn schließlich war dieser weit übers Ziel hinausgeschossen. »Dass Sie Angst und Schrecken verbreitet haben, war Ihnen aber schon klar?«
    »Natürlich – es tut mir inzwischen auch leid.«
    Jetzt sah Traknow den Augenblick für ein Eingreifen gekommen. »Herr Ketschmar hat impulsiv gehandelt – wie das seine Art ist. Seine Hemmschwelle, wenn ich das so sagen darf, ist aber ziemlich hoch.«
    Häberle überlegte. »Aber wenn sie überschritten wird«, konstatierte er, »dann bricht es aus ihm heraus?«
    Der Anwalt bemerkte, dass der Kriminalist seinen gut gemeinten Einwand ins Gegenteil kehren wollte. »Ja, dann brichts aus ihm raus«, griff er die Bemerkung auf, »aber nicht so, wie Sie jetzt denken. Er versucht, sich zu artikulieren oder den Dampf mit Schriftsätzen abzulassen. Herr Ketschmar ist weit davon entfernt, seine Aggressionen auf andere Weise abzulassen.«
    Häberle hob eine Augenbraue. »Bis auf die Sache mit dem Architekten – damals in …« Er sah zu Linkohr hinü­ber, der sofort wusste, was sein Chef meinte: »In Ulm, vor 7 Jahren.«
    Traknow war irritiert und suchte ratlos den Blickkontakt zu seinem Schwiegervater. Der zuckte mit den Schultern: »Alte Geschichte.« Er holte tief Luft. »Man muss sich nicht von jedem alles gefallen lassen.«
    Häberle lehnte sich zurück. »Bei allem Verständnis, aber wenn man sich die Gesamtumstände so betrachtet, fällt es ein bisschen schwer, daran zu glauben, dass Sie nichts mit dieser Sache hier zu tun haben.«
    Ketschmar schloss wieder die Augen. Ein Schüttelfrost bemächtigte sich seines Körpers, sodass Häberle für einen Moment in Erwägung zog, einen Arzt zu rufen. »Geht es Ihnen nicht gut?«
    Traknow legte erneut seine rechte Hand auf den linken Arm seines Schwiegervaters. »Ich werde den Antrag stellen, seine Haftfähigkeit zu überprüfen.«
    Häberle ging nicht darauf ein, sondern wurde direkt. »Sie schreiben Drohbriefe, Sie spucken das spätere Mordopfer an und Ihr Auto weist einen Schaden auf, der möglicherweise vom Zusammenstoß mit einem Menschen herrühren könnte …«
    Der Anwalt kam der Antwort Ketschmars zuvor: »Das mögen Indizien sein, wenn man es aus Ihrer Sicht sieht. Die Angaben meines Schwiegervaters sind aber nicht minder schlüssig.« Linkohr hatte bereits mehrere Blätter voll geschrieben.
    »Um ehrlich zu sein«, entgegnete Häberle, »ich tu mich damit ein bisschen schwer.«

39
     
    Untersuchungshaft. Der Richter hatte sich nicht davon überzeugen lassen, dass Ketschmar durch unglückliche Umstände in ein Verbrechen verwickelt worden sein könnte. Hinreichender Tatverdacht, sagten die Juristen. Nicht einmal seine Frau und seine Tochter hatte er noch besuchen dürfen. Kein Abschied. Ob er jemals sein schmuckes Häuschen in Donzdorf wieder sehen würde? Der dunkelgrüne VW-Bus mit den vergitterten Fenstern fuhr auf der Bundesstraße 10 in Richtung Ulm. Zwei junge Kriminalbeamte saßen wortlos vor ihm. Ketschmar, der seinen eigenen Schweiß roch, sah auf der linken Seite den angestrahlten Turm von Staufeneck vorbeiziehen, davor die Lichter der Ortschaften, die ihm so vertraut waren – und die schier endlose Kolonne entgegenkommender Fahrzeuge.
    Sie brachten ihn weg. Weg von seiner Heimat, von seiner Familie, von der gewohnten Umgebung. Keiner würde ihm glauben. Keiner. Das hatte er auch dem Kommissar angemerkt, der zwar verständnisvoll zuhören konnte, für den er aber ein Lügner war, ein Krimineller, ein Schwerverbrecher. Ein Arbeitsloser, dem man ohnehin alles zutraute. Einer, der sogar gegen die Obrigkeit kämpfte, respektlos einem Behördenvertreter ins Gesicht spuckte. So einer hatte keine Chance mehr. Und irgendwann würden auch Monika und Chrissi zweifeln – spätestens dann, wenn die Juristen fundiert und zweifelsfrei ihr Urteil sprachen.
    In fünfeinhalb Wochen war Weihnachten. Wie ein Blitz durchzuckte ihn diese Erkenntnis. Er schloss wieder die Augen, hörte den Dieselmotor des Kleinbusses dröhnen und stellte sich vor, wo er die kommende Nacht

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