Bewusstlos
Quadratmeter hatte, sich aber über drei Stockwerke erstreckte. Er hatte sie noch nie gefragt, ob sie nicht etwas dazutun könnte, und das rechnete sie ihm hoch an.
Seit es nicht mehr wehtat, dass Vasco ständig mit anderen Frauen um die Häuser zog, weil sie ihren eigenen Liebhaber gefunden hatte, konnte sie Vasco zumindest einigermaßen ertragen.
Jedenfalls an den Tagen, an denen er sie nicht verprügelte.
Wenn Vasco unbedingt mit ihr schlafen wollte, dann ließ sie ihn eben. Ließ es mehr oder weniger über sich ergehen. Es machte ihr nichts aus, aber es bedeutete ihr auch nichts mehr. Vasco hätte auch sagen können: »Hol mal bitte die Zeitungen aus dem Auto.« Das hätte sie genauso getan, und bei dieser profanen kleinen Gefälligkeit war sie gefühlsmäßig genauso involviert wie in den Momenten, in denen Vasco die Bettdecke zurückschlug und sich auf sie rollte. Nur ab und zu hatte sie sich gefragt, ob Vasco in diesen Situationen überhaupt wusste, dass sie es war, Paola, oder ob er glaubte, sie wäre eine andere.
Aber auch das war ihr mittlerweile egal.
Heute hatte sie Vasco gesagt, sie müsse den ganzen Abend arbeiten, weil Christine beschäftigt sei.
Sie hatten also viel Zeit.
Karl liebte Paola, beziehungsweise liebte er es, mit ihr zusammen zu sein, sie zwei- bis dreimal in der Woche in der Hütte zu treffen und mit ihr zu schlafen.
Die Heimlichkeiten, die immer umständlicher werdenden Ausreden, das mühsame Wegschleichen während der Hochsaison und die ewige Angst, dass alles auffliegen könnte, liebte er gar nicht. Im Gegenteil.
Das, was er Paola gesagt hatte, war nur so ein Spruch gewesen. Niemals würde er mit Paola zusammenleben können, sie wäre gar nicht in der Lage, an Christines Stelle zu treten und ihren Platz einzunehmen.
Außerdem war er nicht der Besitzer des Castellettos, und wenn Christine ihn hinauswarf, weil sie von der Affäre erfuhr, dann war er arm wie eine Kirchenmaus. Hatte keinen Job, kein Geld und kein Dach überm Kopf.
Es war ein riskantes Spiel, von dem Paola nicht das Geringste ahnte. Sicher erträumte sie sich, Herrin im Castelletto zu werden, darüber war er sich im Klaren, und er ließ sie bewusst in dem Glauben. Zerstören konnte er ihre Illusionen immer noch, wenn es so weit war. Zu dem jetzigen Zeitpunkt war dies jedenfalls völlig überflüssig.
Er liebte Christine, ja, er liebte sie wirklich. Er wollte mit ihr leben und auf dem Castelletto alt werden. Aber er wollte eben auch ab und zu mit Paola schlafen. Das waren zwei vollkommen verschiedene Dinge, die nichts miteinander zu tun hatten. Und mit halbherzigen Versprechen, wie: Soll sie doch kommen. Dann hat das Versteckspiel endlich ein Ende, hielt er sie bei der Stange.
Als sie sich wenig später schweißnass in den Armen lagen, fragte Paola: »Was machst du heute noch, Karl? Musst du zurück ins Castelletto? Ich hab den ganzen Abend Zeit. Wir könnten etwas unternehmen.«
»Was denn?« Karl runzelte die Stirn. Er hatte sich eigentlich darauf eingestellt, den Abend mit Christine zu verbringen und mit ihr gemeinsam zu essen.
»Wir könnten ja mal in ein Restaurant gehen, du und ich. Irgendwo, wo uns keiner kennt. So wie ein ganz normales Paar.« Paola schnurrte wie eine Katze und kraulte ihm den Rücken, weil sie wusste, dass er dann schwach wurde.
»Ich habe keine Zeit, ich muss heute Abend zu einer Versammlung nach Arezzo«, log Karl, denn die Versammlung war erst Ende der Woche.
»Was denn für eine Versammlung?«
»Gegen diese riesige Stromtrasse, dieses elettrodotto enorme zwischen Firenze und Roma, hat sich endlich ein Widerstand formiert. Du hast doch bestimmt davon gehört.«
Paola brummte ein völlig desinteressiertes: »Sì«.
»Wenn diese Trasse kommt, sind wir tot, Paola. Das heißt: ruiniert. Sie geht durch unser Tal. Jedenfalls ist es so geplant. Nur dreihundert Meter vom Castelletto entfernt. Mal ganz abgesehen von der gefährlichen Strahlung – glaubst du, wir kriegen noch einen einzigen Feriengast, wenn die Leute den ganzen Tag auf diese beängstigenden, sechzig Meter hohen, futuristischen Strommasten gucken? Ich kann es mir nicht vorstellen. Und außerdem ist das Castelletto dann unverkäuflich.«
Paola zog sich langsam wieder an.
»Und du bist deinen Job los«, fügte Karl noch hinzu. Er wurde langsam wütend über Paolas ignorante Haltung.
»Tja, dann musst du da wohl hingehen«, meinte sie enttäuscht.
»Meinst du nicht, dass man sich gegen so etwas wehren muss? Wenn man
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