Bewusstlos
nichts mehr. Auch nicht über Oma.
Gabriella grinste vor sich hin, stellte das Geschirr in die Geschirrspülmaschine, setzte sich zu Neri und nahm seine Hand.
»So«, sagte sie. »Jetzt haben wir unsere Ruhe. Oma ist im Bett, und wir können reden. Vielleicht sollten wir uns wirklich langsam mal darüber unterhalten, wie wir diese Schnapsidee mit der goldenen Hochzeit aus der Welt schaffen.«
»Tja«, meinte Neri und seufzte. »Vielleicht sollten wir das. Ich kann ja meine Dienstwaffe holen. Dann ist das Problem ganz schnell gelöst.«
»Eins ist ganz klar«, begann Gabriella sofort mit dem Kern des Problems, ohne auf Neris sarkastischen Einwurf zu reagieren, »Oma wird sich von ihrer fixen Idee nicht abbringen lassen. Wir haben nur noch die Möglichkeit, uns zu überlegen, wie wir das Ganze unauffällig, elegant und so wenig peinlich wie möglich hinter uns bringen. Aber frag mich nicht, wie das gehen soll.«
Neri knurrte. »In Ambra findet nichts statt. Das schwöre ich dir. Ich mach mich doch nicht vor dem ganzen Ort zum Affen! Unser Carabiniere feiert mit großem Brimborium die goldene Hochzeit seiner Schwiegermutter, dabei ist der liebende Gatte seit hundert Jahren tot. Die Leute zerreißen sich sowieso schon wegen jeder Kleinigkeit das Maul, aber wenn wir mit dieser Geschichte kommen, dann haben sie einen Brocken, über den sie monate- oder jahrelang lästern können. Es war der schwärzeste Tag in meinem Leben, als du deine Mutter aus Rom hierhergeholt hast, Gabriella, und ich könnte mich heute noch in die Nase beißen, dass ich sie nicht gleich ins Auto gesetzt, wieder zurückgefahren und in irgendeinem Heim abgegeben habe. Bisher hat sie uns hier nur Ärger gemacht, und der Alltag mit ihr ist die Hölle.«
Das waren deutliche Worte, und Gabriella schwieg erschrocken. Dass Neri so sehr unter Glorias Anwesenheit litt, hatte sie nicht geahnt. Aber sie wusste, wie sehr Gloria Neri damit quälte, dass er seinen Posten als Carabiniere in Rom verloren hatte und in die Provinz versetzt worden war. Immer und immer wieder fing sie mit dem Thema an und streute genüsslich Salz in die Wunde. Sie wusste auch, dass er sich heute noch dafür schämte, Freiwillige der ganzen Gegend zusammengetrommelt und eine riesige Suchaktion gestartet zu haben, als Oma verschwunden war und alle glaubten, sie sei orientierungslos und habe sich im Wald verirrt. Dabei saß sie gemütlich bei ihrer Freundin Silena bei etlichen Gläschen Weißwein.
Das gesamte Valdambra hatte sich über Neri und seine Oma-Suchaktion köstlich amüsiert, er war zum Gespött der Leute geworden, und das hatte er Oma im Grunde seiner Seele nie verziehen.
Und jetzt wollte sie ihn mit dieser Messe und diesem Fest schon wieder in Ambra lächerlich machen.
»Ich weiß, Neri«, sagte Gabriella leise, »ich finde es auch nicht einfach mit meiner Mutter unter einem Dach. Aber vielleicht sollten wir jetzt nicht grundsätzlich über die Situation mit Oma diskutieren, sondern uns darüber Gedanken machen, wie wir das aktuelle peinliche Problem lösen.«
Neri schwieg und drehte das Radio an. Als ein italienischer Sänger, den er nicht kannte, sich in seinem Song auf unerträgliche Weise über die verpassten Gelegenheiten seines Lebens ausweinte und dabei immer wieder die Töne knapp verfehlte, schaltete er das Radio wieder aus.
»Versuchen wir doch eine Schadensbegrenzung«, schlug Gabriella vor. »Wir sagen Oma, die Kirche in Ambra ist monatelang ausgebucht, und suchen irgendwo in einem kleinen Ort eine winzige Kapelle. Eine, in die nicht viele Leute passen. Wir laden nur ein paar Freunde ein, die die Probleme mit Oma kennen, und fertig. Vor denen brauchen wir uns nicht zu genieren. Es gibt eine kurze Messe, hinterher ein schönes Essen, und Oma ist glücklich.«
»Hm«, meinte Neri, und Gabriella wusste, dass er immer eine Weile brauchte, um einen Vorschlag zu durchdenken.
»Hm«, wiederholte er nach einer Weile, »du hast recht. Das ist wahrscheinlich die einzige Möglichkeit. Und wo meinst du? An welches Käsenest hast du gedacht?«
»Montebenichi? Rapale? Cennina? Mir ist das alles eben erst eingefallen. An einen konkreten Ort hab ich noch gar nicht gedacht.«
»Die gehen alle nicht.« Neri machte eine Handbewegung, als wischte er einen ganzen Stapel Zeitungen vom Tisch. »Dort sind keine Kapellen, das sind kleine Kirchen, und die sind viel zu groß. Wenn sich die Leute quetschen, passen da fünfzig, sechzig Personen rein! Um Gottes willen! Und wenn
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