Bezaubernde Spionin
wenig einfältig sein, aber er war nicht gänzlich dumm, und er spürte die Verachtung der anderen sehr deutlich. Da ihm die geistigen Mittel fehlten, sich gegen sie zur Wehr zu setzen, tat er, als verstehe er die Boshaftigkeiten und Spitzen nicht, und wenn es ihm zu bunt wurde, griff er zu der einzigen Waffe, die er besaß: seiner beeindruckenden Größe und Körperkraft. Normalerweise hielt sich Kersham in der Nähe ihres Gemachs auf, und Aylinn spielte mit dem Gedanken, ihn unter einem Vorwand hereinzurufen. Sie öffnete bereits den Mund, doch Richard von York kam ihr zuvor.
»Spart Euch die Mühe, Herzogin«, sagte der Mann mit einem öligen Grinsen und schloss die Tür hinter sich. »Eure Hofdame ist nicht da, und Kersham wird Euch diesmal ebenfalls nicht retten, indem er mich zu einer ›dringenden Besprechung‹ mit dem Herzog ruft. Er ist vollkommen damit beschäftigt, die Lakaien und Eure Garderobe in Empfang zu nehmen. Es ist gerade eine Kutsche mit Eurer Kammerzofe und einigen Kisten aus Schottland eingetroffen.« Er lächelte, und sein Gesicht zeigte einen Ausdruck, bei dem es Aylinn kalt den Rücken herunterlief. »Ich hoffe, dass Ihr einige hübsche Gewänder eingepackt habt, damit Euer zukünftiger Gemahl sich nicht schämen muss, mit einer Schottin am Arm bei Hofe zu erscheinen.«
»Ich glaube kaum, Sir Richard, dass Euch das etwas angeht«, erwiderte Aylinn, aber ihre Stimme bebte, und sie wich unwillkürlich einen Schritt zurück, als York auf sie zutrat. »Außerdem frage ich mich, woher Ihr wisst, wessen sich mein zukünftiger Gemahl …«
Richard von York wischte ihre Antwort mit einer Handbewegung beiseite. »Herzog John ist kein Mann, Mylady, der lange darauf wartet, bis eine Frau ihre Zustimmung zu seinen Plänen gibt. Er bekommt, was er will. Immer. Und von jedem.« Er grinste, als er seinen Gürtel mit dem Rapier abnahm und ihn sorgfältig auf den Tisch des Gemachs legte. »Ihr tut gut daran, seinen Wünschen zu entsprechen und den Baronet zu ehelichen. Vielleicht«, er musterte sie von Kopf bis Fuß, »nur vielleicht verzichtet er ja darauf, dass Ihr die Ehe mit diesem Weichling auch vollzieht.«
»Ich kann mir kaum vorstellen«, konterte Aylinn, »dass der Baronet wirklich daran interessiert ist, die Ehe mit mir zu vollziehen. Oder mit irgendeiner anderen Frau.«
Richard von York lachte. Es war ein hässliches Lachen. »Ganz recht, Mylady. Sehr gut beobachtet. Aber er ist sehr daran interessiert, ein Herzogtum zu bekommen. Und auch an dem Gold, das ihm diese Ehe einbringt.« Er öffnete den obersten Knopf seines Wamses, während er noch einen Schritt auf Aylinn zutrat.
Die sah sich hastig in dem Raum um. Aber das Einzige, was als Waffe zu gebrauchen war, war der Kerzenständer auf dem Tisch und Richard von Yorks Schwert, das direkt danebenlag.
Der Cousin des Königs sah ihren Blick und lachte erneut. »Oh, die Wildkatze will ihre Krallen zeigen?« Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Nun, das soll mir nur recht sein. Ich bin sicher, dass Ihr froh darüber seid, wenn sich ein richtiger Mann Eurer annimmt, wenn Ihr erst einmal den Baronet geheiratet habt und danebensitzen und zusehen dürft, wie er sich … anderweitig vergnügt.« Er lachte, und seine Augen glühten, als er Aylinn erneut musterte. »Und ich weiß auch, dass Herzog John ganz sicher nichts dagegen hat, wenn ich mich dieser Aufgabe annehme.«
»Ich glaube kaum, dass mein Onkel es billigt, wenn seine Nichte unter seinem Dach vergewaltigt wird«, zischte Aylinn. Ihre Angst wurde von der Wut und der Verzweiflung über ihre Lage gedämpft. Das konnte ihr doch nicht wirklich passieren! Richard von York würde sich doch nicht wirklich so tief erniedrigen, dass er ihr hier, im Palast von Westminster, sozusagen unter den Augen ihres Onkels, Gewalt antat. »Wenn er erfährt …«
York blieb stehen und stemmte die Hände in die Hüften. »Ich wüsste nicht, von wem er das erfahren sollte, meine Teuerste.« Er öffnete den nächsten Knopf seines Wamses, und darunter kam ein Leinenhemd zum Vorschein, das am Kragen gebunden war. Die Schnüre waren geöffnet, und sie sah die behaarte Brust des Mannes. Bei diesem Anblick wurde ihr fast übel. »Ich werde ihm ganz gewiss nichts sagen, und ich bezweifle, dass Ihr zu ihm laufen und Euch bei ihm ausheulen werdet. Er hat andere, wichtigere Dinge zu erledigen«, seine Stimme nahm einen bissigen Unterton an, »als sich um seine störrische schottische Verwandte zu kümmern.
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