Bezaubernde Spionin
Bedford verzog das Gesicht und schüttelte dann den Kopf. »Wie oft muss ich Euch noch sagen, Richard, dass hier …«
»Die Wände Ohren haben, ich weiß, ich weiß«, fiel ihm Richard ins Wort und winkte ab. »Und wenn schon! Es sind doch höchstens Dienstboten, die lauschen, und sie verstehen ohnehin nicht, was sie hören …«
» … oder aber sie hinterbringen unsere Worte umgehend jemandem, der es versteht«, knurrte Bedford sein Gegenüber an. »Und ich lege keinen besonderen Wert darauf, dass unsere Pläne noch brühwarm diesem Stewart auf dem schottischen Thron serviert werden. Oder anderen Leuten, die uns schaden könnten. Ich muss Euch ja wohl nicht sagen …«
Richard von York hob zum Zeichen seines Einlenkens die Hände. »Schon gut, John, Ihr habt mich überzeugt. Übrigens«, er kniff die Augen zusammen und warf einen unverhohlen neugierigen Blick auf das Pergament unter der Karte, das durch den Schlag des Herzogs aus seinem Versteck gerutscht war. »Was schreibt sie denn so?«
John Bedford hob eine Braue und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Das möchtet Ihr wohl gern wissen, was?«
Richard schnaubte. »Natürlich. Wir arbeiten doch in dieser Sache zusammen, wie in der Regentschaft von England auch, oder etwa nicht?« Der Blick seiner dunklen, fast schwarzen Augen wurde schärfer, als er den Herzog musterte. Richard von York machte sich keine Illusionen, was den verschlagenen Charakter des englischen Regenten anging. Gewiss, Herzog John von Bedford herrschte im Namen von Heinrich VI. über Britannien und weite Teile Frankreichs, nicht zu vergessen, solange der junge König noch ein Kind war und die Amtsgeschäfte nicht selbst führen konnte. Er machte seine Sache gut, zweifellos, und er war nicht nur ein gerissener und rücksichtsloser Regent, sondern auch ein ausgezeichneter Feldherr, was er unlängst in der Schlacht von Vernuil bewiesen hatte, als er das schottische Heer geschlagen hatte. Richard presste die Lippen zusammen. Zu schade, dass dies den Franzosen ermöglichte, ihre Truppen fast unbeschadet zurückzuziehen und sich für einen neuen Angriff gegen die Engländer zu sammeln. Aber dieses Thema sollte man in Bedfords Gegenwart besser meiden.
Jedenfalls hatte der Herzog ein gut funktionierendes und umfassendes Netz aus Informanten und Spionen geknüpft, sowohl am französischen wie auch am schottischen Hof. Und nicht zuletzt, dachte Richard mit einem Anflug von Unbehagen, auch im Palast von Westminster selbst. Kaum etwas, was hier gesprochen wurde, entging den aufmerksamen Ohren von Bedfords Spitzeln, selbst wenn es hinter vorgehaltener Hand getuschelt wurde. In Anbetracht dieser permanenten Überwachung seiner Untertanen, seiner Freunde und, wie Richard mürrisch zugab, auch seiner Verwandten war es vielleicht kein Wunder, wenn der Herzog selbst misstrauisch und zutiefst argwöhnisch war und im Westminster Palast so gut wie nie über seine eigentlichen und heimlichen Pläne sprach.
Selbst bei Ratssitzungen hielt er sich für gewöhnlich bedeckt, und die Konferenzen für seine Kriegsplanung hatte er in einem Zelt auf einer Anhöhe abgehalten, das von seiner Leibgarde abgeriegelt worden war.
Aber Bedford hatte keine Ahnung, dass eine seiner fähigsten »Geheimwaffen«, eine Spionin, die ihm schon so manche wichtige Information von Quellen geliefert hatte, an die sonst niemand herangekommen wäre, auch für ihn, für Richard von York, arbeitete. Jedenfalls erfuhr er nachts im Bett stets die neuesten Pläne und Gedanken, die der Herzog geschmiedet und seiner Vertrauten Lady Georgina Harrington mitgeteilt hatte. Und als Zugabe bekam er noch den sehr befriedigenden Verkehr mit dieser schier unersättlichen Stute, die meist nachts zu ihm kam, damit er die Arbeit vollendete, die Bedford offenbar nicht befriedigend zu Ende geführt hatte. Richard von York grinste. John Bedford mochte sein Szepter schwingen und England damit beherrschen, er, Richard, schwang dafür
sein
mächtiges Szepter, mit dem die launische Natur ihn zum Ausgleich für die mangelnde politische Macht so großzügig ausgestattet hatte, und beherrschte damit indirekt den Herzog.
»Aber natürlich, mein werter Freund, und zudem ist es auch eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit, hab ich recht? Jedenfalls solange jeder von uns seinen Platz kennt und dort das Beste tut, was er vermag.« Bedford sah den Anflug von Herablassung auf Yorks Gesicht und achtete sorgfältig darauf, dass seine eigene Miene unbewegt blieb. Er wusste,
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