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Beziehungskiller: Kriminalroman (German Edition)

Beziehungskiller: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Beziehungskiller: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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heraus und begann zu lesen. Ich suchte
die Stelle vom belgischen Feldzug, als sich ein römischer General über Cäsars
klare Befehle hinwegsetzt und so seine Legion in eine aussichtslose Lage
bringt. Der eingeschlossene Cäsar ist nicht in der Lage zu helfen, und so wird
die Legion im Laufe eines Tages vollständig aufgerieben. Ich liebe diese
Textstelle, weil sich an ihr das ganze politisch-strategische Genie Cäsars in
seiner vollen Manipulativität zeigt. Zuerst gibt der große Mann eine glasklare
Einschätzung der Lage, anschließend schildert er die Sturheit seines Generals
ohne Ärger, so verständnisvoll wie möglich, denn er vertraut auf die Klarheit
seiner zuvor gegebenen Argumente. Dann berichtet er über das Verhängnis
nüchtern und sachlich, aber mit genug Einzelschicksalen von tapferen Legionären
angereichert, um doch Mitgefühl beim Leser hervorzurufen. Und schließlich
schildert er den Heldentod des aufsässigen Generals mit größtem, nüchternem Lob
und bedauert den Verlust eines so fähigen, mutigen Führers und seiner
großartigen Soldaten für Rom. Abgesehen vom ersten Fehler hatte der Mann
tadellos, in bester römischer Tradition gehandelt. Cäsar tritt nicht kleinlich
nach, sondern erhöht den Befehlsverweigerer noch. So macht er klar, dass die
Katastrophe nicht etwa Unfähigkeit zur Ursache hatte, sondern nur eines: Ein
Mann schätzte sein eigenes Urteil höher als das Cäsars, und das mit allen
schrecklichen Konsequenzen. Ein Mahnmal für alle, ein grandioser Text.
    Während
ich las, packte Laura ihre Sachen zusammen, ging im Zimmer auf und ab, setzte
sich, stand wieder auf, unruhig, bis sie gerufen wurde. Ich nahm meinen Blick
nicht vom Text, als sie das Zimmer verließ. Mit perfektem Timing kehrte sie in
dem Augenblick zurück, als ich fertig gelesen hatte. Nun war ich an der Reihe.
Ich steckte den Cäsar als Glücksbringer ein und folgte Schirmdorfer wortlos die
Treppe hinunter.
    IV
    Unten standen wir vor der Tür
zur Bibliothek. Mir kribbelten die Fingerspitzen, die Füße schienen leicht wie
Federn zu sein, und ich war hellwach. Manche Leute stehen auf Schokolade,
manche auf Heroin, manche auf Stechapfeltee – bei mir war es einfach eine
schöne Dosis Adrenalin. Die schwere, massive Tür mit dem goldenen Drehknauf war
geschlossen. Schirmdorfer klopfte. Seine Knöchel erzeugten auf dem polierten
Holz einen satten, harten Klang. Es dauerte ein paar Sekunden, bis wir von
drinnen ein »Herein!« hörten. Schirmdorfer drehte den Knauf und wir traten ein.
    »Ah,
Herr Doktor Linder. Schön, dass Sie hier sind, nehmen Sie Platz«, rief Körthy
aus, als er mich sah. So, als ob er nicht genau gewusst hätte, dass ich es war.
Anschließend fügte er hinzu: »Einen Augenblick Geduld, bitte, ich bin gleich
soweit.«
    Ich
nickte, ging auf den Schreibtisch zu und setzte mich auf den Stuhl, der vor dem
Möbel stand. Körthy blätterte in Notizen und Ausdrucken und nahm von mir keine
Kenntnis mehr. Unbehaglich rutschte ich auf meinem Platz hin und her und harrte
der Dinge, die da kommen mochten. Bernhard und Schirmdorfer saßen links und
rechts, leicht versetzt hinter Körthy. Auf dem Schreibtisch lagen Papiere
verstreut, dazwischen ein Kaffeeservice und ein Aschenbecher, in dem sich schon
ein paar von Körthys Zigaretten befanden. Ich wartete, versuchte ruhig zu
bleiben und wartete weiter. An der Wand hing, zwischen die Bücher eingefügt, eine
Uhr. Ihr Ticken war der einzige hörbare Laut außer Körthys Papiergeraschel. Den
starren, ernsten Blicken zweier Polizisten ausgesetzt, deren Chef mich völlig
vergessen zu haben schien, dazu die eigene Anspannung, es war gelinde gesagt
eine äußerst unangenehme Situation. Da mir nichts anderes einfiel, blickte ich
ruhig vor mich hin und zählte das Ticken der Uhr. So hatte ich immerhin etwas
zu tun. Ich kam bis 265, als Körthy schließlich Mitleid mit mir hatte und seine
Lektüre beendete. Er legte die Blätter aufeinander, stieß sie gekonnt auf die
Schreibunterlage, bis sie bündig aufeinander lagen und tat sie zu den anderen
Papieren. Übergenau und ohne jegliche Hast begann er nun, die Papiere so zu
ordnen, dass alle Stapel exakt im selben Verhältnis zueinander zu liegen kamen.
Dies dauerte natürlich wieder ein Weilchen, aber immerhin hatte ich dabei etwas
zu beobachten. Dazu zählte ich wieder das Ticken der Wanduhr. Diesmal kam ich
aber nur bis 72, dann fixierte mich Körthy einen Augenblick und begann zu sprechen.
Er war offenbar der Meinung,

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