Beziehungskiller: Kriminalroman (German Edition)
nicht hin, da er gerade damit beschäftigt war, seinen Lungentorpedo
in Betrieb zu nehmen. Auf der Rückseite des Papiers stand etwas
Handschriftliches. Ich trat zum Schreibtisch und ließ den Zettel zwischen
meinen Unterlagen verschwinden. Um die Nachricht würde ich mich später kümmern.
»Sie
sind mir einer.« Er schüttelte den Kopf. »Ist das nicht ungewöhnlich, dass
Ihnen die Mietvorschreibung persönlich gebracht wird? Bei mir liegt die im
Briefkasten oder klemmt im Türschlitz«, wechselte er abrupt das Thema. Runker
war nicht zu unterschätzen, dem Mann entging nichts.
»Ah so?
Nein, bei mir ist das so üblich. Wenn ich zu Hause bin, dann läuft das immer so
ab.«
»Nett.«
Er nahm ein paar Züge, ich schenkte mir ein und begann, mein Teeindefizit abzubauen.
Nach der dritten Tasse, Runkers Zigarette war nur mehr ein Stummel, begann er
von Neuem zu sprechen.
»I kann
momentan net vül machen. Wenn Sie irgendwas erfahren, Linder, dann melden S’
sich. Glauben S’ mir, wenn Sie da mit drinhängen, erwisch i Sie. So vorsichtig
können S’ gar net sein.« Er dämpfte den Tschik aus und stand auf. »Bleibn
S’ruhig sitzen, de Tür find i a von allanig.« Damit war er gegangen.
Ich
blieb sitzen. Mir schmeckte der Tee und ich hatte viel nachzudenken. Ich war
gerade bei Laura angelangt, es konnte also noch keine Minute her sein, dass
Runker gegangen war, da klopfte es erneut an meiner Tür.
»Linder
drin, wer stört?«, rief ich unwillig hinaus.
»Runker.«
»Ah
so.« Aufstehen und die Tür öffnen war das Werk eines Augenblicks. Ich hielt die
Teetasse in der Hand und lächelte ihn an.
»Spielen
Sie jetzt Columbo?«
»Ungern.
Könnt ich einmal einen Blick auf den Erlagschein werfen?«
»Sicher.«
Ich blieb ganz ruhig. Äußerlich jedenfalls. Was immer auf der Rückseite stehen
mochte, ich wollte nicht, dass Runker wusste, was es war.
Langsam
ging ich zum Schreibtisch hinüber, stellte mich hin und begann, mit der Rechten
meine Papiere zu durchwühlen. Die Linke mit der Teetasse führte ich zum Mund.
Die Mietvorschreibungen kamen in dem Haus, in dem ich damals wohnte, immer für
zwei Monate im Voraus. Die beiden Erlagscheine waren durch eine Perforation
voneinander getrennt. Die Nachricht für mich stand auf der Hinterseite des Zettels
für November. Als ich die Mietvorschreibung gefunden hatte, stellte ich wie zufällig
die Teetasse ab, sodass sie auf dem einem Teil des Erlagscheins zu stehen kam.
In dem Moment, in dem die Tasse mit dem Tisch in Berührung kam, trennte ich
schnell, leise und sorgfältig den anderen Teil ab. Ich hoffte, dass das
Geräusch der Tasse auf der Schreibtischplatte und die natürliche Bewegung
meines Armes Runker täuschen würden. Die Perforation war gut, es blieb nichts
hängen. Dann ließ ich die Tasse stehen und ging mit dem Zettel für Oktober zu
Runker zurück. Ich habe ganz geschickte Finger, es konnte also durchaus sein,
dass mein kleiner Trick gut gegangen war.
»Bitte.«
Ich reichte ihm den Wisch. Unschuldiger als ich in diesem Moment hat noch nie
jemand dreingeschaut.
Er
drehte den Zettel zwischen den Fingern hin und her. Beäugte ihn kritisch und
gab ihn zurück.
»Danke.
Schen Tag no, und wenn S’ was von der Goldzung-Ftacek-Geschicht hern, lassn S’
as mi wissen!« Er drehte sich um und ging. Ich steckte den Zettel ein und
schloss die Tür hinter ihm.
Wenn
man nächtelang am Spieltisch Falschspieler beobachtet hat, lernt man so einiges
über geschicktes Täuschen und Tarnen. Man muss gar nicht übermäßig geschickt
sein, meist reicht es, zwei Bewegungen, eine natürliche und eine geheime,
zugleich auszuführen. Am Spieltisch ist das bedeutend schwieriger als in diesem
Fall. Runker hatte in der Tür gestanden, vier Meter hinter mir. Wenn ich es nur
halbwegs gut gemacht hatte, war ihm wirklich nichts aufgefallen. An einem Tisch,
an dem sich alle auf Armeslänge gegenübersitzen und auf Mätzchen gefasst sind,
ist das wesentlich schwieriger. Bei Bender saß mal einer, für den ich einen
ganzen Abend lang dealte und der mich nach Strich und Faden beschiss. Ich
brauchte über acht Stunden, um ihm auf die Schliche zu kommen. Und fast drei
Monate, um das Ganze dann zu Hause zu üben, bis ich es so gut konnte wie er.
III
Als ich sicher war, dass Runker
nicht mehr zurückkommen würde, holte ich die Mietvorschreibung für November
heraus und besah mir die Rückseite. ›Bar, Hütteldorfer Straße 51, 16 h‹, stand
da geschrieben. Offenbar wollte mich jemand
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