Beziehungskiller: Kriminalroman (German Edition)
sprechen. Um zu erraten, wer mich
da sprechen wollte, brauchte ich meinen intellektuellen Turbolader keineswegs
anzuwerfen. Das konnte nur das Mädchen sein, das mir die Nachricht überbracht
hatte. Sie musste in irgendeinem Zusammenhang mit dem Besuch von Runker stehen.
Wenn ich mich weit aus dem Fenster lehnen wollte, würde ich auf die Enkelin
meiner Hausbesorgerin getippt haben. Aber das würde sich ja noch alles zeigen.
Es war noch nicht einmal halb neun. Der Tag war noch lang bis 16 Uhr.
Nach
dem stürmischen Wochenende, das hinter mir lag, hatte ich nicht die Ruhe, um
mich auf meine Lehrveranstaltungen im kommenden Semester vorzubereiten. Weder
zu Hause noch in der Nationalbibliothek. Vor allem, dass Laura nichts mehr von
mir wissen wollte, traf mich hart. Ich versuchte gerade, mir einen Plan
zurechtzulegen, anhand dessen ich mich bei Laura rehabilitieren könnte, als
mein Handy zu summen begann. ›Unbekannter Teilnehmer‹ verkündete das Display.
Ich nahm den Anruf an.
»Linder?«
Die Stimme kam mir bekannt vor.
»Ja.
Wer dort?«
»Geben
Sie mal einen Tipp ab, wer ich denn sein könnte.« Das letzte Mal, im März,
hatte er sich mit haargenau den gleichen Worten gemeldet.
»Unrath?«
»Richtig.«
»Was
kann ich für Sie tun?«
»Gar
nichts. Allerdings könnte ich vielleicht etwas für Sie tun.«
»Das
klingt gar nicht schlecht. In welcher Sache?«
»Kommen
Sie um 10 Uhr ins Café am Heumarkt. Hausnummer 12. Kennen Sie das?«
»Nein.«
»Dann
freuen Sie sich drauf. Vorsicht, es ist schwer zu finden, da kein Schild
heraußen hängt.«
Er
hatte aufgelegt. Mir fiel partout nicht ein, warum mich Unrath anrufen sollte.
Vor einiger Zeit, als ich einem Traum aus Papier nachjagte und dabei Laura kennenlernte,
kreuzten sich unsere Wege. Danach aber nie wieder. Seltsam. Ich warf mein
Jackett über, sperrte hinter mir ab und machte mich auf zum Treffen mit Unrath.
An der
Ecke Stadtpark/Hotel Intercontinental blieb ich stehen. Nirgendwo ein Schild,
eine Tafel oder ein ähnlicher Hinweis. Dann entdeckte ich die Hausnummer 12 und
ging darauf zu. Zuerst dauerte es etwas, bis ich das Café überhaupt entdeckte,
dann war ich mir unsicher, ob es überhaupt geöffnet hatte, und schlussendlich
stand ich allein im Dunkeln. Kein Licht brannte, und als ich die Tür hinter mir
schloss, war es still. Da hob von hinten, wo die Küche ist, eine Stimme an zu
singen: »Ich bin so traurig und ach so allein …« Die Tür fiel ins Schloss und
die Stimme brach ab. Ein Kopf mir Scheitel, Brille und Schnauzer erschien.
»Einen
großen Mokka, bitte.«
»Großer
Schwarzer, kummt sofort.«
Ich
suchte mir einen Platz in der Eckbank, dort, wo eine längst abgehängte Uhr
einen weißen Fleck auf der nikotingelben Tapete hinterlassen hatte. Der Ober
kam mit dem Kaffee und zwei Schildern. Eines rot, das andere grün.
»Raucher
oder Nichtraucher?«
»Entschuldigen
Sie, ich verstehe nicht ganz?«
»Wolln
Sie im Raucher- oder im Nichtraucherbereich sitzen?« Er hielt mir die Taferln
unter die Nase. Das rote mit der durchgestrichenen Zigarette, das grüne ohne
Verbotshinweis.
»Nichtraucher,
bitte.«
»Sehr
gerne.« Er stellte das rote Taferl vor mir auf den Tisch. In diesem Moment
sprang der Generator unter der Speisenvitrine knatternd an. Mir war nun klar,
wieso sich dieses Café zum Klubheim der österreichischen
Telefonwertkartensammler gemausert hatte.
Es
dauerte nicht lange und Unrath erschien. In dem vergangenen halben Jahr hatte
er sich überhaupt nicht verändert. Wir hatten uns kennengelernt, als ich einem
antiken Papyrus in der verzweifelten Hoffnung hinterherjagte, meine finanzielle
Misere zu beenden. Geld war keines für mich übrig geblieben, aber wie es so
kommt, hatte ich ein paar Leute kennengelernt und es irgendwie geschafft, mir
nicht alle zum Feind zu machen. Einer davon war Unrath. Seniorpartner einer
Anwaltskanzlei und auf Du und Du mit allem, was in Wien Rang und Namen hatte.
Unrath
schritt durch das Café, als gehöre ihm der Laden. Am Tisch angekommen, hängte
er seinen dunkelgrünen Mantel sowie seinen Hut an den Ständer und schüttelte
mir herzlich die Hand. Ich war aufgestanden, die alten Knaben von Unraths
Schlag stehen auf gute Manieren.
»Setzen
Sie sich, Linder.« Er bot mir den Platz an, auf dem ich schon fünf Minuten
gesessen war.
»Danke«,
spielte ich mit.
Der
Ober erschien mit dem von mir bestellten Mokka und stellte ihn vor Unrath auf
den Tisch.
Unrath
fragte mich großzügig: »Was
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