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Beziehungskiller: Kriminalroman (German Edition)

Beziehungskiller: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Beziehungskiller: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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durchhalten.«
    »Du
Tapferer!«, rief Alfred händeringend aus. Ich kam mir vor wie in einer Operette
und machte mich auf, Wasser zu finden. In der Küche kam ich zum Kühlschrank und
holte mir eins raus. Aus irgendeinem Grund trinkt man heute einfach kein
Leitungswasser mehr. Gütkens stand im Dunkeln und rauchte. Normalerweise redet
man während der Partie nicht viel miteinander, aber ich sprach ihn an.
    »Auch
eins?«
    »Nee,
danke«, meinte er und begann nach einer kurzen Pause seinerseits: »Warn
Mordspech mit dem Flush. Doller Spielverlauf.« Seine Vokale bewegten sich stark
in Richtung der Umlaute. Das ›e‹ und das ›i‹ erinnerten mehr an ein ›ö‹ und ein
›ü‹. Gütkens kam offenbar irgendwo aus dem westlicheren Teil Deutschlands.
    »Besser
die Taube auf dem Dach als den Spatz in der Hand.«
    »Jaja.«
Gütkens kannte sich offenbar mit Sprichwörten noch weniger aus als mit Pokerhänden.
    Ich
wollte gerade das Gespräch ein wenig vertiefen, als zuerst der Rumäne ins
Zimmer trat, und dann wurde auch schon weitergespielt. Die Gelegenheit zu einem
Gespräch war ungenützt vorbeigezogen, und da es im Verlauf des Abends auch zu
keiner weiteren kam, wusste ich um vier Uhr früh nicht mehr als zu Beginn des
Abends.
    Die
Dämmerung begann sich etwa gleichzeitig mit dem Ausscheiden des ersten Spielers
abzuzeichnen. Es handelte sich um Gütkens, der doch länger durchgehalten hatte,
als ich mir zu Beginn des Abends vorgestellt hatte. Ich hatte noch knapp 1.500
Euro von den 2.000, die mir Korinek gegeben hatte. Gütkens besaß vielleicht
noch etwa 150. Beim Poker steigt die Höhe der Einsätze mit der Zeit, und was zu
Anfang noch für 15 Partien gereicht hätte, war jetzt gerade noch zwei, maximal
drei wert. Wenn Gütkens nicht unerhörtes Glück hatte, wäre er in etwa einer
halben Stunde mit dem Abend fertig. Wenn ich jetzt aussteigen würde, könnte ich
unten auf Gütkens warten, ohne Aufsehen zu erregen. Außerdem musste ich dann
nicht irgendein Szenario austüfteln, in dem ich mein ganzes Geld zeitgleich mit
Gütkens verlieren würde, denn nach ihm konnte ich auf keinen Fall gehen. Auch
wenn die Gassen in der Umgebung menschenleer waren, finden würde ich ihn nie
mehr. Dann wäre der ganze Abend sinnlos gewesen. Also nutzte ich eine kurze
Unterbrechung im Spielfluss – es wurde dem Dealer Tee nachgeschenkt –, um zu
verkünden, dass ich aussteigen wollte.
    »Geh
heast, Burli, du hast ka Sitzfleisch, ha?«, fragte der Mann mit den quer über
die Glatze gelegten Haarsträhnen. Seine braunen Kordhosen glänzten schon leicht
fettig, so oft hatte er seine schweißigen Hände an ihnen abgewischt.
    »Schaut
so aus, ich bin nicht zum Pokern geboren«, bekannte ich mich rückhaltlos
schuldig.
    »So
einfach geht das aber nicht«, ließ sich der Mann im Flanelldreiteiler
vernehmen. Er holte ein Zigarettenetui aus seinem Sakko, nahm eine heraus und
verstaute das Etui wieder. In einer geschmeidigen Bewegung seines rechten
Daumens ließ er sein goldenes Dupont aufschnappen, schlug einen Funken und gab
sich Feuer. Als er den Feuerzeugdeckel mit dem rechten Zeigefinger zuschnappen
ließ, sprach er, den Rauch seiner Zigarette ausatmend, weiter.
    »Seinen
Einsatz kann er nicht einfach aus dem Topf nehmen. Den hätten wir gewonnen«,
meinte er in die Runde. »Versteh’n Sie mich nicht falsch, junger Mann, Sie
spielen nicht schlecht, aber mir sind Sie nicht gewachsen.« Er nahm einen Zug.
»Ich will das Geld.«
    Das
hatte ich nicht vorausgesehen. Ich hatte keine Ahnung von der Etikette in so
einem Fall. Im Casino von Bender waren die Leute immer erst ausgestiegen, wenn
sie pleite waren. Weder Korinek noch Wohli hatten jemals von so einer Situation
erzählt. Offenbar handelte es sich um eine Grauzone.
    Die
ältere Frau mit dem silbergrauen Haar in perfekt ondulierten Wellen und der
konservativen Kleidung ergriff für mich Partei: »Lass’ ihn doch gehen, Quincy.
Das Spiel soll doch Spaß machen.«
    »Des
hot ma davo, wenn ma mit Amateure spielt«, stieß Quincy hervor. Er zerbröselte
seine Zigarette zwischen den Fingern. Dass sie noch brannte, war ihm egal.
    »Lass
ihn gehen«, meinte der Mann in Schwarz. Die Messernarbe am Hals hatte wohl
einen Teil seines Kehlkopfes in Mitleidenschaft gezogen, denn seine Stimme war
kaum lauter als ein Flüstern. Doch er war ein Mann, dem immer jeder zuhören
würde, egal, wie leise er sprach. Dass in seiner Stimme ein leises, samtiges
Schnurren mitschwang, störte den Eindruck von

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