Beziehungswaise Roman
glücklich wurden.
»Wir haben einen Vertrag.«
»Verklag mich doch.«
Er schaltet wieder um, glatt wie ein nasses Parkett, lächelt und macht den Ansatz, mir wieder seine Hand auf die Schulter zu legen, bevor er es sich überlegt und sie lieber knapp neben meinem Arm in der Luft hält.
»Lasse, ich bin die größte Agentur in der Branche und du ein guter Künstler. Wir arbeiten jetzt schon so lange zusammen. Du gehörst zu uns. Wir sind doch die Besten für dich.«
Ich schüttele meinen Kopf.
»Nein, nur für meine Karriere. Ich weiß nicht, ob dir der Unterschied bewusst ist, aber mir schon. Es geht nicht mehr.«
Er mustert mich, und schließlich nickt er, als würde es ihm schwerfallen.
»Wenn du das so haben willst, dann gut, kündigen wir unseren Vertrag fristlos. Natürlich müssen wir dann andere Künstler auf die bereits bestehenden Verträge buchen.« »Das kannst du mir nicht antun«, lache ich. »Echt, die Butterfahrt ohne mich?! Himmel, es wird mir fehlen, vielleicht entere ich das Ding mal, bloß um wieder dabei zu sein, eine ganz große Sache, echt.«
Er bekommt etwas Farbe. Herr Scheunemann schafft es, keine Miene zu verziehen. Nina stellt sich neben mich. »Herr Dibrani. Entschuldigen Sie, ich weiß, wir haben keinen Vertrag. Dabei möchte ich es belassen.«
So langsam merkt man ihm dann doch seine Wut an. Er funkelt uns an und deutet mit dem Daumen auf Herrn Scheunemann.
»Was der Arsch euch auch immer ...«
Für einen Augenblick ist Herrn Scheunemanns Hand an Clemens’ Anzug. Dann wieder nicht. Und dann hat Clemens Atemprobleme und muss sich setzen.
»Clemens. Ich lasse mich nicht von dir beschimpfen. Nicht von dir.«
Herr Scheunemann dreht sich ab und geht weg. Clemens hält sich den Hals, er ist rot angelaufen.
»Das werdet ihr bereuen«, krächzt er.
»Hab ich schon«, sage ich.
Nina geht zu ihrem Stuhl und packt ihre Tasche. Ich mache es ihr nach. Als ich abreisebereit bin, ist von Clemens nichts mehr zu sehen. BH ist auch weg. Wahrscheinlich zum Trösten abgestellt. Fast habe ich Mitleid mit ihr. Doch sie hat genau den Posten, den sie wollte. Vielleicht mit Nebenwirkungen, die sie nicht wollte. Aber damit kann ich leben.
Herr Scheunemann fordert gerade Kohl zum Aufbruch auf, als wir vor ihm stehen bleiben. Er wirkt verlegen.
»Tut mir leid, die Sache eben.«
»Mir nicht«, sage ich fröhlich. »Mensch, ich fühl mich prima. Hm, also, ist vielleicht nicht der richtige Augenblick, aber ...« Ich werfe Nina einen Blick zu. »Wir suchen eine neue Agentur. Haben Sie Kapazitäten?«
Er mustert uns abwechselnd.
»Ob das eine gute Idee ist?«
»Ja«, sagt Nina. »Sie haben zwei neue Künstler, wenn Sie wollen.«
Die Härte in seinem Gesicht weicht wieder dem normalen, entspannten, freundlichen Ausdruck, mit der er der Welt begegnet, wenn die ihm nicht gerade Clemens vorbeischickt.
»Ich denke, damit komme ich wohl klar.«
Ich muss wieder grinsen. Himmel, fühle ich mich gut. Das hätte ich viel früher tun sollen. Ballast abwerfen. Aufsteigen.
»Ich muss kurz ins Ausland. Wenn ich wieder da bin, rufe ich Sie an, wir treffen uns und besprechen alles.«
Er nickt mir zu, dann bleibt sein Blick an Nina haften. »Aber Sie, Sie sollten das vielleicht noch mal in Ruhe überdenken.Ihr Freund hier ist schon lange dabei und weiß vermutlich, was er tut, aber Sie sind neu in dem Geschäft – und Sie sind sehr gut. Sie können eine schöne Karriere machen, und Herr Dibrani kann ein paar Türen öffnen, die ich nicht aufbekomme.«
»Klingt vernünftig«, sage ich und nicke ihr zu. »Ein bisschen Bedenkzeit hat noch niemandem geschadet.«
Nina antwortet nicht. Sie mustert Herrn Scheunemann. Er mustert sie. Irgendwas geht zwischen ihnen vor sich. Schließlich streckt Nina die Hand aus. Herr Scheunemann nimmt sie und drückt sie.
»Damit wäre das wohl geklärt«, sagt er und lächelt.
Sie lächelt auch. Und dann reicht er mir auch die Hand. Wir lächeln ebenfalls. Dann wünschen wir uns einen schönen Abend und gehen. Es gibt üblere Arten, Geschäfte zu machen.
Kapitel 35
Auf der Rückfahrt erzählt Tess Anekdoten aus alten Tagen, als sie mich auf Tourneen begleitete. Dabei erfahren wir nebenbei, dass Ninas Vater Schauspieler war und sie ebenfalls manchmal mit ihm auf Tournee war. Daher hat sie Bühnenerfahrung und viele dreckige Schauspielerprovinztheatergeschichten zu berichten. Alle lachen viel, während Frauke uns durch den Wochenendverkehr fädelt, alle bis auf Arne, der
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