Beziehungswaise Roman
Krytowski.«
Ich küsse ihr Ohr und schnuppere an ihrem Haar. »Mögen«, sagt sie.
Ich nicke und atme tief ein, versuche den Geruch zu speichern.
»Dich. Deine Art.«
Sie drückt sich an mich.
»Ich mag dich auch«, flüstert sie. »Aber ich liebe dich auch, ist das nicht furchtbar?«
Ich streichele sie, denke an unsere sieben Jahre. Machen Beziehungen nur Sinn, wenn sie für immer sind? Gibt es irgendetwas anderes im Leben, bei dem wir einen solchen Maßstab anlegen?
»Nein.«
Sie beginnt schwer zu atmen. Ich halte sie, streichele ihre weiche Wange und muss plötzlich selbst gegen den Druck hinter meinen Augen ankämpfen. Ausnahmsweise erholeich mich zuerst und versuche es mit ein paar schlappen Witzen. Irgendwann wird ihr Atem wieder ruhiger. Schließlich zieht sie die Nase hoch, steht auf, holt ihre Tasche, setzt sie auf den Schreibtisch und öffnet sie. Da ist es wieder. Das gnadenlose Umschalten. Eben noch Trennungsschmerz wegen der Vergangenheit, jetzt Zukunft absegnen. Sie holt den Vertrag aus der Tasche, zieht ihn aus einer Mappe und hält ihn mir entgegen.
»Willst du ihn sehen?«
Er ist dünner, als ich dachte. So dünn, so viel Gewicht. »Nein«, sage ich und folge ihr zum Schreibtisch.
Sie legt den Vertrag auf die Schreibtischplatte, schaut mich noch einmal an. Ich nicke. Sie unterschreibt ihn. Wir gucken uns ihre Unterschrift an, dann klappt sie den Vertrag zu und verstaut ihn wieder in ihrer Tasche. Dann mustern wir uns. Sie geht nach China. Ich gehe nach Dänemark. Keiner weiß, was sein wird, wenn wir uns wiedersehen. Sie mit einem anderen. Ich mit einer anderen. Keiner mit keinem. Wieder wir? Mein Herz stolpert kurz, obwohl ich es mir einfach nicht vorstellen kann. Total verrückt, das Ganze.
Hinter der Tür verrät uns Les McCann, dass die Sonne morgen wieder scheinen wird. Ich muss an Far denken. Gott, wie ich ihn vermisse.
»Und was machen wir jetzt?«, fragt Tess.
»Tanzen«, sage ich und nehme ihre Hand.
So verharren wir einen Augenblick. Dann küsse ich sie. Ein Kuss voller Freundschaft und Zuneigung. Völlig anders als der Kuss von vorhin.
Als wir uns voneinander lösen und in die Halle rausgehen, reden wir nicht mehr darüber. Doch anders als bei den vielen anderen Fast-hätten-wir-Sex-gehabt-Episoden der letzten Jahre ist mir, als wüssten wir beide, dass diese die letzte Episode war.
Kapitel 36
Die Luft, der Geruch, die Geräte, der regungslose Körper auf den weißen Laken – das Schlafzimmer wirkt wie ein Krankenhauszimmer. Als ich ans Kopfende trete und Far atmen sehe, durchläuft mich gleichzeitig Erleichterung und Schock. Ein Tag ohne ihn hat ausgereicht, um mir das alte Bild wiederzugeben. Seine Haut ist grau. Sein Gesicht schmal. Sein Haar ohne Kraft.
Ich lasse mich auf Ebbas Lieblingssessel fallen, nehme seine Hand und lausche seinem Atem. Während ich weg war, ist die Spritzenpumpe eingetroffen. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber bestimmt kein Ding, das aussieht wie ein Faxgerät. Wenn da nicht die Riesenspritze wäre, die an der Frontseite eingespannt wäre, würde ich nach der Wählscheibe suchen. Neben Fars Hand liegt eine Fernbedienung. Für einen Augenblick glaube ich, sie ist für die Maschine, dann erkenne ich die Bedienung für das Bett wieder. Ich atme tief und versuche an etwas Schönes zu denken. An ihn. An seine Art zu erziehen. Seine Art zu lieben. Seine Freude, wenn er jemanden zum Lachen bringen konnte.
An der Kinokasse zahlte er manchmal für die Leute hinter uns mit und wünschte ihnen einen schönen Abend. Ein paar waren damit überfordert, ein paar wurden aus Unsicherheit unfreundlich, ein paar wiesen die Karten ab. Doch die meisten freuten sich, wenn sie erst mal verdaut hatten, dass ein Fremder ihnen einfach eine Freude machen wollte.Sie strahlten und bedankten sich, suchten nach Worten, fanden sie, und dann wünschte man uns ein langes, schönes Leben, Gottes Segen und Gesundheit und Glück. Far grinste so, dass man seinen Goldzahn sah, während Sune und ich uns an seine warmen Hände klammerten. Die billigste Freude der Welt nannte er das. Auch während der Film lief, winkte man uns zu, und nach dem Film warteten manche, um sich noch mal zu bedanken. Ein paarmal wurden wir zum Essen eingeladen, eine Familie kam uns noch jahrelang im Sommerhaus besuchen.
Sein Atem verändert sich. Seine Pupillen bewegen sich unter den Augenlidern. Er schlägt die Augen auf. Sein Blick kommt von weit her. Ich lehne mich vor, damit er mich
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