Beziehungswaise Roman
heißt, wenn wir miteinander geschlafen hätten, wärst du geblieben? Das heißt, du bleibst nicht, weil wir nicht miteinander geschlafen haben? Das heißt, du verlässt mich wegen unserem Sex?«
Sie lacht nicht, sondern kaut auf ihrer Unterlippe und mustert die Wand. Ihre Schultern heben und senken sich. »Findest du mich nicht mehr attraktiv?«
Ich nehme ihre Hand.
»Ach Süße, drehst du jetzt durch oder was?«
»Wieso schlafen wir dann nicht miteinander?«, fragt sie, ohne ihren Blick von der Wand zu lösen.
Ich denke an die vielen Nächte neben ihr, an den Übergang von Geilheit zu Wellness, von Lover zu Freundin, und zucke die Schultern.
»Manchmal wenn wir miteinander schliefen, warst du zu gestresst. Du warst nicht bei mir, also habe ich dich nach der Arbeit zufrieden gelassen. Ich dachte, es sei eine Phase. Doch die hörte nicht mehr auf.«
»Aber wieso hast du mich nicht einfach genommen? Früher hast du mich doch oft genommen, wenn dir danach war.«
Wenn dir danach war. Wie klingt das denn? Hat sie mich bloß gewähren lassen? Fast frage ich sie, kann mich aber gerade noch bremsen. Lieber gute Erinnerungen.
Von draußen dringt Gelächter durch die Tür. Scheinbar erzählt Frauke fröhlich weiter, dass wir es miteinander treiben.
»Ich habe es ja irgendwie akzeptiert«, murmelt Tess, »aber ich verstehe es einfach nicht. Ich meine, wie kann man sich lieben und attraktiv finden, aber keinen Sex haben?«
Ich streichele ihren Rücken.
»Süße, ich weiß es nicht. Wir hatten ja vorher schon mal Phasen mit weniger Sex, und diese Phase hat sich eben zum Zustand manifestiert. Ich habe keine Ahnung, warum. Vielleicht haben wir einfach zu lange Pause gemacht. Vielleicht haben sich die Bedürfnisse geändert.«
Sie lächelt schwach, stößt Luft durch die Nase aus und schüttelt den Kopf.
»O Mann, ich hätte dich das alles viel früher fragen sollen. Ich dachte die ganze Zeit, es liegt an mir, weil ich dich nie verführen konnte. Jedes Mal, wenn ich es versucht habe und nichts daraus wurde, dachte ich, du findest mich nicht mehr attraktiv.«
Ich schaue sie an.
»Wann denn zum Beispiel?«
Sie schaut mich überrascht an. Scheinbar habe ich die Superanmache verpasst.
»Na, der Theaterabend, zum Beispiel.«
Der Abend fällt mir sofort ein. Ein schöner Abend. Nach der Aufführung gingen wir etwas trinken und landeten dann in einem Club, in dem wir tanzten, bis der Laden schloss. Dann gingen wir durch den Sonnenaufgang nach Hause. Und ins Bett. Und schliefen sofort ein. Also, ich zumindest. Hm. Jetzt, wo ich drüber nachdenke, fällt mir ein, dass Tess an dem Abend das schwarze Kleid anhatte. Ich machte den ganzen Abend Komplimente und Witze, nannte es das Vorspieltuch. Unser letzter Sex muss da fünf, sechs Monate her gewesen sein, und scheinbar war ich zu dem Zeitpunkt bereits so in der Wellnessdecke eingerollt, dass ich ihre Bemühungen nicht registrierte. Gott, wer weiß, was ich noch so alles nicht mitbekommen habe ... »Das war ein schöner Abend«, sage ich und im selben Moment fällt mir ein, dass sie in Zukunft, irgendwann, mit einem anderen schöne Abende haben wird. Prima, dass mir das jetzt einfällt.
Sie mustert mich.
»Du hast es wirklich nicht gemerkt?«
Ich ziehe die Schultern etwas hoch, und fast frage ich sie, was sie denn an dem Abend getan hat, außer sich sexy anzuziehen, doch die Frage wäre überflüssig. Ihre Zeichen waren immer der leiseren Art. Solange ich dauerscharf auf sie war, sah ich überall Zeichen. Aber als ich mir nicht mehr sicher war, ob sie wollte, kann ich Zaunpfähle übersehen haben.
»Verrückt«, sagt sie und senkt ihren Blick.
Ich rutsche mit der Hand höher zu ihrem Nacken und knete ihn sanft.
»Willst du meine Superthese hören?«
Sie nickt, ohne den Blick zu heben.
»Ich glaube, dass wir nicht mehr miteinander schlafen, weil wir Freunde geworden sind, und mit Freunden schläft man nicht, sonst müsste ich ja mit Arne ins Bett gehen.« Sie lacht nicht, sondern mustert ihre Stiefel.
»Wir können aber auch eine Therapie machen, um es herauszufinden.«
»Bloß nicht«, murmelt sie.
»Gut.«
»Also findest du mich noch attraktiv?«, sagt sie nach einem Augenblick.
Ich unterdrücke ein Grinsen, lege einen Finger unter ihr Kinn und drücke es nach oben, damit ich ihre Augen sehen kann.
»Es ist ein Genuss, dich anzuschauen. Du bist eine der schönsten Frauen, die ich je gesehen habe. Aber weißt du, was noch schöner ist? Ich mag dich, Tessa
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