Beziehungswaise Roman
auf die Stirn und zieht meine Falten glatt.
»Damit.«
»O .k.«
Sie mustert mich belustigt.
»O.k?«
»Ja, klar, kein Problem.«
Ihr Mund verzieht sich. Die weißen Striche um ihre Augen verschwinden in den Lachfältchen. Ihre Handfläche streichelt meine Wange.
»Es war so schön.«
Mein Herz stolpert. Für einen Augenblick erstarre ich, doch sie beginnt vom Urlaub zu schwärmen. Ich beginne wieder zu atmen. Ich hoffe nur, es ist nicht ihr selbstverliebter Vorgesetzter, denn dann muss ich leider zum Machoarsch mutieren und ihm die cremegepflegte Fresse polieren. Aber das ist unwahrscheinlich. Tess hat sich bestimmt einen guten Kerl ausgesucht. Prima. Mein Mädchen vögelt einen Typen, den ich mag. He, vielleicht können wir ja mal zu dritt ins Kino gehen, verdammt noch mal. Vielleicht sollte ich sie ja auch einfach mal fragen, ob die Paranoia begründet ist. Jetzt.
Jetzt!
...
Prima. Und was ist eigentlich mit ihr? Wieso sagt sie nichts? Vielleicht sollte ich uns von der CIA verhören lassen. Mit sieben Liter Wahrheitsserum im Blut würden wir es vielleicht mal schaffen, über unsere Probleme zu reden. Wäre ich eine Firma, könnte sie mir bestimmt besser helfen. Die Beziehungs-GmbH. Bitte die Bilanzen frisieren. Ja, wäre ich ein Auftrag, würde sie mein Problem professionell lösen. Doch weil sie mich liebt, ist sie machtlos. Wieso sind wir so? Wieso sind wir klug, bis es uns selbst betrifft? Und was ist eigentlich mit mir passiert? In meinen früheren Beziehungen wurde alles ausdiskutiert und noch gevögelt, als es längst nichts mehr zu sagen gab. Ausgerechnet mit Tess mache ich nichts von beidem. Wannhaben wir bloß aufgehört, miteinander zu reden? Seit wir keinen Sex mehr haben? Reden wir gar nicht mehr, weil wir sonst auch darüber sprechen müssten? Gott, hatten wir früher schöne Gespräche. Ehrlich, offen, neugierig und voller Verständnis für unsere unterschiedlichen Bedürfnisse. Was ist bloß passiert? Keine Ahnung. Manchmal ist das Leben ein Arschloch.
Als wir in die Halle kommen, hockt Arne zusammengekauert auf einem Stuhl und liest die taz. Seine Prinz-Eisenherz-Frisur liegt wie ein Helm um seinen Kopf. Dämpft vielleicht die Schläge der Polizeiknüppel. Neben ihm sitzt eine Anwältin in einem Indianerkostüm und wirkt glücklich. Scheinbar hat das Arschloch heute Nacht überzeugend gelogen. Sie winkt fröhlich und krächzt etwas, hat gerade einen tiefen Zug von ihrem Joint genommen. Ich mustere ihren Aufzug.
»Gehst du so in die Kanzlei?«
Sie atmet eine Rauchwolke aus und kichert.
»Biste jeck? Glaubst du, einer unserer Mandanten ist so irre, sich heute auf einen Anwalt zu verlassen? Eine Karnevalsberatung kann ihm zehn Jahre einbringen!«
Sie kichert.
»Dann brauchst du ja den Wagen nicht.«
Sie hört auf zu kichern und runzelt die Stirn.
Wir fahren schweigend. Vor uns kriechen die Autos über die Straße, als lägen zwanzig Zentimeter Schnee und nicht zwei. Ich kämpfe mit der Versuchung, Vollgas zu geben und auf gut Glück den Panikfahrer vor mir zu überholen, der alle fünf Meter auf die Bremse geht, als hätte er noch nie Schnee gesehen. Im Radio verspricht ein hysterisch gut gelaunter Moderator die allerbesten Hits der allerbesten Hits und mehr Schnee. Tess dreht auf einen anderen Sender,auf dem sich zwei Menschen über Vor- und Nachteile der EU-Erweiterung unterhalten. Eigentlich ein Thema für sie, doch sie schaltet das Radio ab und sitzt still da, schaut mit leicht abgewandtem Kopf aus der Frontscheibe. Die Finger ihrer rechten Hand trommeln leicht auf die Türverkleidung. Irgendetwas beschäftigt sie. Da haben wir ja was gemeinsam. Wenn sie jetzt wegfährt, werden wir uns erst wieder in zwei Wochen sehen, wenn sie ein freies Wochenende hat, und dann ist sie kaputt und will chillen. Am besten sprechen wir also jetzt.
Jetzt!
...
Wieso ist es so schwer, etwas Unangenehmes anzusprechen? Und wieso bin ich so erleichtert, dass wir es nicht tun? Und wieso bin ich so enttäuscht, dass wir es nicht tun? Und wieso tun wir es nicht? Und wieso ...
Das Trommeln hört auf. Ich werfe einen Blick rüber. Sie spielt wieder an der Strähne. Sie zieht sie mit zwei Fingern lang. Lässt sie los. Zieht sie wieder lang. Alles mit einem abwesenden Blick. Sie sitzt noch neben mir, doch sie ist längst bei der Arbeit. Das habe ich an ihr immer gefürchtet und gleichzeitig bewundert. Wenn eine Sache vorbei ist, kann sie sich auf der Stelle umdrehen und gehen. Wenn wir uns nahe waren,
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