Beziehungswaise Roman
beraten, wie man Probleme löst, oder etwa nicht?«
Ihre Lippen zittern. Ich nicke und zwinge mich zu warten. Sie schüttelt den Kopf.
»Ich versuche schon so lange mit dir zu reden, doch ich tue es nicht, obwohl es mir fehlt. Es fehlt mir. Deine Meinung fehlt mir. Du fehlst mir ...«
Sie wendet wieder ihr Gesicht ab. Diesmal starrt sie aus der Frontscheibe. Der BMW rollt neben uns. Der Fahrer streckt den Kopf nach vorne und starrt zu uns hoch.
»Tess . «
Sie wendet mir ihr Gesicht zu.
» Was verschwiegen?«
Sie beißt sich auf die Unterlippe. Jetzt kommt es. Sie vögelt ihren gottverdammten Chef. Ich wappne mich. Meine Muskeln spannen sich automatisch gegen den Schmerz an. Gott, wie ich solche Gespräche hasse.
Nach einem weiteren Augenblick zieht sie die Schultern hoch und schaut mich entschuldigend an.
»Sie haben mir einen Job angeboten.«
Ich blinzele.
»Einen Job?«
Tess nickt. Erleichterung durchschießt mich, bevor meineSynapsen Verbindungen zwischen neuem Job und altem Verdacht herstellen.
»Und? Wie ist dein Chef im Bett?«
Ihre Augenlider flackern. Dann schneidet sie eine klägliche Grimasse.
»Für diesen Job hätte ich glatt mit ihm geschlafen, aber er meinte, das wäre nicht nötig.«
»Was ist bloß aus der Welt geworden ...«
»Nicht wahr?«
Wir lächeln uns düster an. Wenn es ihr Chef gewesen wäre, hätte sie es mir jetzt gesagt. Also schläft sie mit einem anderen. Ich sollte erleichtert sein, nicht? Doch ich frage mich, was kann an einem Job so wichtig sein, dass sie ihn mir verschweigt. Im selben Augenblick wird es mir klar.
»Bleibst du in Wolfsburg?«
Sie senkt ihren Blick und bewegt sich erst mal nicht. Dann schüttelt sie langsam den Kopf. Ich versuche mich zu erinnern. VW. Wo haben die noch mal ihre Werke? USA? Mexiko?
Sie hebt ihren Blick und schaut mich schuldbewusst an. »Es geht erst mal ein halbes Jahr nach China.«
Ihr Blick flackert kurz. Dann nickt sie. Es fühlt sich an, als würde mein Blutdruck absacken. Meine Füße werden kalt. Mein Mund wird trocken, und in meinen Ohren klingelt es leise. China. Erst mal.
Neben uns fährt der BMW quietschend an. Tess rutscht näher an meinen Sitz und nimmt meine Hand.
»Tut mir leid, dass ich es dir erst jetzt sage. Es kam alles so plötzlich, und ich musste erst ein Gefühl dazu bekommen.«
Ich lecke mir über die Lippen und räuspere mich. »Und, hast du jetzt ein Gefühl?«
Sie nickt.
»Geh ein bisschen weg.«
Ihre Augen werden groß.
»Was ...«, sagt sie atemlos.
»Rück ein Stück. Ich brauche Platz.«
Sie rückt bis zur Beifahrertür und mustert mich verletzt. Ich lehne mich an die Fahrertür und schaffe Raum zwischen uns.
»Ich habe noch nichts unterschrieben, ich wollte erst mit dir reden.«
»Wahnsinn.«
Sie atmet scharf ein. Ich versuche mich zu beherrschen. »Lass mich raten, du solltest es dir im Urlaub durch den Kopf gehen lassen und Bescheid sagen, wenn du wieder da bist?«
Sie blinzelt und schaut auf mein Kinn.
»Es tut mir leid. Ich konnte einfach nicht mit dir darüber reden, weil alles so...«
»Schon gut«, sage ich und schließe meine Augen. China. Ein halbes Jahr. Erst mal.
Ich öffne meine Augen wieder und sehe, dass sie auf die Uhr schaut. Ich werfe einen Blick auf die Armaturenuhr. Ihr Zug fährt in sechs Minuten.
Als ich die Fahrertür öffne, trifft mich die Kälte wie ein Schlag. Ich hole ihren Koffer aus dem Kofferraum und stelle ihn hin. Als sie um den Wagen herumkommt und vor mir stehen bleibt, sind ihre Augen feucht. Ich öffne meine Arme. Sie gleitet in meine Umarmung und schmiegt sich an mich.
»Es tut mir so leid, dass ich es dir nicht gleich gesagt habe«, flüstert sie.
Der BMW kommt wieder herangeschlichen und hält neben uns. Der Fahrer hat eine Runde gedreht, ohne einen Parkplatz zu finden.
»Lass uns in Ruhe darüber reden.« Ich lasse sie los und drückeihr den Koffergriff in die Hand. »Kannst du am Wochenende einen Tag freimachen?«
Sie zögert und macht ein entschuldigendes Gesicht.
»Das wird schwer. Aber ich versuche es. Ich sage dir morgen Bescheid, gut?«
»Ja«, sage ich.
Sie bleibt stehen, heftet ihren blauen Blick auf mich und legt ihre warme Handfläche auf meine Wange.
»Wer liebt dich?«
Ich hebe ebenfalls eine Hand und streichele ihre von der Kälte schon gerötete Wange.
»Ich liebe dich auch, Tessa Krytowski.«
»Das ist gut«, sagt sie. Für einen Augenblick sieht sie aus, als würde sie sich noch mal an mich kuscheln. Dann atmet sie
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