Beziehungswaise Roman
Beleuchtung am Flughafen mal ausfallen sollte, könnte man sie als Landebahn benutzen, auf ihrer Monsterfrisur könnten die Passagiere ins Freie rutschen.
Als sie mir die Brötchen reicht, frage ich sie, als was sie geht. Lichterkette. Aha. Hätte ich mir denken können. Sie fragt, als was ich denn gehe, als – Jogger? Ein paar der Herumstehenden kichern. Ich erkläre ihnen, dass ich als Radfahrer gehe, aber man hätte mir das Rad geklaut. Für einen Augenblick mustern sie mich verdutzt. Dann platzen sie. Das haut rein. So kann nur ein Profi einen Raum zum Schreien bringen. Man klopft mir auf den Rücken, und schon bin ich wieder in Freiheit und laufe in Richtung Heimat. Freundlich sein macht Spaß. Wieso vergesse ichdas so oft? Ich nehme mir vor, es nicht mehr zu vergessen. So. Jetzt kann’s losgehen. Der freundliche Däne.
Als ich in den Hof hineinlaufe, gehen die guten Vorsätze gleich wieder über Bord. Die Katze sitzt neben der Hallentür und macht keinerlei Anstalten, in Deckung zu gehen. Ich trete gegen einen eiskalten Fußball. Der Ball prallt neben ihr an die Wand. Sie verschwindet fauchend hinter Arnes Demoecke, in der er all das hortet, was man so braucht, um Transparente herzustellen und Fabriktore zu versperren. Manchmal bringt er auch Sachen von seinen Kreuzzügen mit. In der Ecke steht seit Jahren ein Schild, auf dem KEIN ZUTRITT steht. Wer weiß, wo er das herhat, und wer weiß, was da noch so alles herumliegt. Vielleicht ist er wie Obelix und versteckt dort seine Polizeihelmesammlung. Jedenfalls ist es das perfekte Versteck für die verdammte Katze. Im Frühling werde ich als Allererstes hier Klarschiff machen.
Die Halle ist gelüftet, der Tisch ist gedeckt, es duftet nach frischem Kaffee, aus der Anlage kommt Punkmusik, und es herrscht Zimmertemperatur. Arne hockt auf einem Stuhl und isst einen von edlen Ökojungfrauen auf links gedrehten Joghurt. Neben ihm klebt Frauke wie ein gerupfter Uhu auf ihrem Stuhl und starrt in ihre Tasse. Ich werfe die Brötchen vor ihr auf den Tisch.
»Du kiffst zu viel.«
Sie antwortet nicht. Ich schaue Arne an.
»Sie kifft zu viel.«
Er antwortet nicht. Trautes Heim, Glück allein.
Als ich geduscht und umgezogen wiederkomme, ist es, als hätte einer auf Pause gedrückt. Die Punkband findet immer noch alles scheiße. Meine Mitbewohner sitzen immer noch in derselben Haltung da. Nur die Brötchentüte hat sich aufgerissen, und die Brötchen haben sich aufFraukes Teller in Krümel aufgebröselt. Ich schenke mir einen Kaffee ein.
»Musik, die aggressiv macht – keine Wunder, dass die Welt den Bach runtergeht.«
»Verklag sie doch«, murmelt Frauke und massiert sich die Schläfen.
Ich nehme meinen Kaffee, gehe ins Arbeitszimmer, setze mich in meinen Sessel und wähle die Nummer. »Achtzehnvierundachtzigsiebzehn.«
»Ich bin’s, und bevor du fragst, dein Sohn, und nein, Tess ist immer noch nicht schwanger. Wie geht es dir?«
»Sune ist hier, sie hat sich extra den Vormittag freigenommen. Es lohnt sich umzukippen, dann sieht man endlich seine Kinder wieder. Hätte ich das bloß früher ... hey ...!« Es raschelt und kracht im Hörer. Dann ist Sune dran.
»Er macht dir nur was vor, ihm geht es nicht gut, verstehst du?«
»Verstehe«, seufze ich. »Gibst du mir bitte Ebba?« Wieder Rascheln im Hörer. Dann Ebba.
»Guten Morgen. Wie geht es dir?«
»Gut. Wie geht es ihm?«
Sie zögert einen Augenblick.
»Er ist müde.«
»Was Neues vom Krankenhaus?«
»Nein. Wenn es etwas Neues gibt, ruft Sune dich sofort an.«
»Danke.«
Im Hintergrund ruft Far irgendwas. Ebba gickelt. Wir tauschen noch ein paar Süßigkeiten aus, dann legen wir auf. Gott, wie sie mir fehlen.
Ich gehe ins Netz und buche einen Flug für Anfang nächster Woche. Nach heute Abend bin ich agenturlos und pleite und habe umso mehr Zeit zum Reisen. So hat alles seine Vorteile. Ich rufe Tess an und spreche ihr einen Guten Morgenauf die verdammte Mailbox. Dann gehe ich zurück in die Halle und schmiere mir ein Brötchen mit dem leckeren Käse, den Ebba mir mitgegeben hat. Er allein kann nicht das dänische Frühstücksschlaraffenland wettmachen, aber vielleicht kann ich mir ein paar Stücke in die Ohren stecken, um diese verdammte Punkmusik nicht hören zu müssen.
»Huiii! Was war denn das?! Ein vierter Akkord ...?« Ich lege meinen Kopf schief und lausche angestrengt, dann atme ich erleichtert auf. »Nee, bloß verspielt, puh, ich dachte schon ...«
Arne lacht nicht. Er macht überhaupt
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