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Bezueglich Enten und Universen

Bezueglich Enten und Universen

Titel: Bezueglich Enten und Universen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neve Maslakovic
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»Was planst du mit deinem LEBEN anzufangen, junger Mann?«
    »Ich arbeite in einer Firma für Küchengeräte.«
    Sie schien mich gar nicht gehört zu haben.
    »Ich schreibe an einem Buch«, sagte ich etwas lauter.
    »Ach, ein Buch?«, sagte Tante Henrietta. »WORÜBER?«
    »Es ist ein Krimi.«
    »Was du nicht SAGST. Das muss irgendwie in der Familie liegen, dieser Sinn für Krimis. Nicht so sinnvoll wie ein KOCHBUCH vielleicht, aber auch eine gute Lektüre. Komm, HILF MIR HOCH.«
    Bean und ich ergriffen je einen Arm und halfen Tante Henrietta sanft auf die Füße. Auf einen Stock gestützt ging sie zu einer Tür, die mir zuvor nicht aufgefallen war.
    »Hier drinnen.« Sie stieß die Tür mit dem Stock auf. Es war ein enger Raum, eher ein begehbarer Schrank, dessen Wände vom Boden bis zur Decke mit Büchervitrinen gesäumt waren.
    »Das meiste davon sind akademische Schriften. Meeresbiologie und wissenschaftliche Magazine. Für dich natürlich uninteressant. Aber da unten – ja, da muss es sein.« Sie schlurfte zum hintersten Regal, öffnete die Glastür und tippte mit dem Stock gegen die unterste Bücherreihe. »DAS DA, mein lieber Felix. Ganz am Ende der Reihe.«
    Ich kniete mich hin und zog das Buch heraus, auf das sie deutete.
    »Es ist eine Ausgabe der
Neun Schneider
von 1934. Die Erstausgabe«, sagte Tante Hen. »Von den Dorothy-Sayers-Büchern gefällt es mir am besten. Das ist der ORIGINALSCHUTZUMSCHLAG. Die
Neun Schneider
sind GLOCKEN, sie nähen nicht etwa Kleider, und Dorothy Sayers ist natürlich NICHT mit uns verwandt. Das Buch ist vergriffen, obwohl DU zweifellos Zugriff darauf hast, mit diesem endlosen Bücherregal, das du um den Hals hängen hast. Trotzdem möchte ich, dass du es bekommst, Felix, mein Lieber. Ich verstehe nicht, wie jemand auf diesen kleinen Bildschirmen lesen kann.«
    »Die Schriftgröße ist einstellbar. Oder man kann sich vorlesen lassen«, sagte ich. »Erstausgabe? Originalschutzumschlag?«
    »Der allererste, der ursprüngliche Druck eines Buches. Schutzumschlag – nun, selbsterklärend«, sagte Bean von der Tür aus.
    »Die Dinger können einem Bücher vorlesen? Dann sollte ich es vielleicht doch einmal versuchen«, meinte Tante Hen. »Schließlich weiß jeder, als Sokrates vor der brandneuen Technologie des geschriebenen Wortes stand, GEFIEL ihm das ÜBERHAUPT nicht. Es braucht seine Zeit, sich an Dinge zu gewöhnen. Trotzdem, wenn man eine Maschine zum Lesen benutzt, sollte sie wenigstens aussehen wie ein Buch. Warum ist der Bildschirm KREISFÖRMIG?«
    »Ich schätze, das müsste man Olivia May Novak Irving fragen«, erwiderte ich. Der Dorothy-Sayers-Band war offensichtlich durch viele Hände gegangen. Das Braun des Schutzumschlags wirkte verblichen, ob durch den Zahn der Zeit oder schlechte Druckqualität, schwer zu sagen. Jedenfalls nicht zu vergleichen mit den leuchtenden Farben, die ich auf den Umschlägen der Bücher im
Bücherwurm
gesehen hatte. Die Kanten waren abgegriffen und auf dem Rücken befand sich ein Fettfleck. Das Papier wirkte ein klein wenig modrig.
    »Und was ist mit LIEBESROMANEN?«, fragte Tante Henrietta. »Schau nicht so erstaunt, mein Lieber. Habe ich gesagt,dass ich AUSSCHLIESSLICH wissenschaftliche Magazine und Krimis lese? Ein Liebesroman ist wunderbare POOLLEKTÜRE. Sind Omnis WASSERDICHT?«
    »Normalerweise nicht«, antwortete Bean.
    »Vielen Dank für das Papierbuch, Tante Hen«, sagte ich. »Sammelst du eigentlich Porzellanfigürchen von Delfinen? Ich habe die Hälfte von – ich meine, möchtest du vielleicht ...«
    »DIESE Dinger!« Sie lachte laut heraus. »Die sind Zeit- UND Geldverschwendung. Ich sammle SEEPFERDCHEN, das ist vernünftiger. Viel höherer Wiederverkaufswert.«
    Als wir uns an der Türschwelle des Apartments verabschiedeten, stieß mich Tante Henrietta mit ihrem Stock gegen das Bein und fragte: »Ist IHR Otto noch am Leben?«
    »Ich – ja, ist er. Soweit ich gehört habe, bereist er derzeit Meeresschutzgebiete in aller Welt – zu Ehren von Tante Hen.«
    »Mein Otto ist jetzt schon seit zwanzig Jahren in den ewigen Jagdgründen. Ich frage mich ...«
    Unerklärlicherweise bückte sich Bean, umarmte Tante Henrietta und drückte ihr einen raschen Kuss auf die Wange. Frauen sind manchmal wirklich seltsam.
    »Danke für alles, Tante Henrietta«, sagte sie.
    Henrietta winkte uns nach. Ich hörte sie gellen »SCHICK MIR DEIN BUCH!«, während sich die Tür der Villa hinter mir und Bean schloss und wir den Gartenpfad

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