Bezueglich Enten und Universen
ein, zwei Worte in voller Lautstärke.
»Du bist also mein anderer GROSSNEFFE, nicht?«
»MEHR oder WENIGER«, antwortete ich.
»Du musst nicht so schreien, Felix, mein Lieber. Und ich weiß, dass wir auf dem PAPIER nicht verwandt sind«, winkte sie mit knochiger Hand ab. Was zählten schon die praktischen Probleme verknüpfter Universen? »Aber ich hatte immer das Gefühl, dass wir eine Familie sind. Und das ist deine FREUNDIN?«
»Das ist Bean«, meinte ich etwas gedämpfter. »Ich bin ihr bei ihren bihistorischen Forschungen behilflich.«
»Was du nichts sagst, mein Lieber.«
»Freut mich, Sie kennenzulernen«, meinte Bean.
Tante Henrietta musterte mich. »Du bist dünner als ER.«
»Danke«, sagte ich.
»Du solltest versuchen, MEHR ZU ESSEN.«
Ein schrilles Pfeifen ließ mich hochschrecken.
»Genau RECHTZEITIG. Kindchen, könntest du das heiße Wasser vom Herd holen?«
Bean stand auf und kam mit einem silbernen Kessel aus der Küche zurück. Sie goss dampfendes Wasser in die drei auf dem Korbtisch bereitstehenden Tassen.
»Für mich nichts, danke«, sagte ich. »Ich habe in dieser Woche schon zu viel Tee getrunken.«
»Unsinn, Felix, mein Lieber. Das ist Kamille. Gut für die Verdauung.«
Bean sah mir in die Augen und reichte mir eine Tasse. Zarte weißlich-gelbe Blüten schwammen in dem dampfenden Wasser.
»Dann bist du also dahintergekommen, NICHT WAHR?«, kreischte Tante Hen plötzlich. »Ich habe Patrick und Klara immer gesagt, dass es keine gute Idee war, Felix’ Geburtsdatumzu fälschen, aber sie wollten einfach NICHT HÖREN. Patrick und Klara«, meinte sie kopfschüttelnd. »Sie hatten immer SEHR progressive Ideen. KÜNSTLER.«
»Du hast mir – ich meine, Tante Hen hat mir ein Foto hinterlassen. So habe ich es herausgefunden.«
»In ihrem Testament, was?«
»Wenn Sie zufällig noch alte Fotografien besitzen ...«, meinte Bean.
Tante Henrietta rümpfte die Nase, was ihre natürlichen Furchen vertiefte. »WENN ich irgendwelche Fotos hätte – und ich sage nicht, dass es so ist – nun, ich habe zu meinem Felix nie etwas über sein WAHRES Alter gesagt, erst als er zu mir kam und sagte, dass er DICH getroffen hat, Felix, mein Lieber. Er ist da in irgendwelche Machenschaften geraten, bei denen bewiesen werden soll, dass er der UniversenMACHER ist, mein Felix. Der Gedanke scheint mir in WISSENSCHAFTLICHER Hinsicht interessant, will ich meinen. Woran ist SIE GESTORBEN?«
Ich zögerte. Soweit ich wusste, war Tante Hen an Altersschwäche gestorben, aber es kam mir taktlos vor, das zu sagen.
»Äh – sie ist gestolpert und vor einen Beförderer gefallen.
»Sprich lauter, mein Lieber.«
»Beförderer«, wiederholte ich lauter und bereute die Lüge bereits.
»Eine gute Art, zu gehen. So möchte ich auch gerne sterben – mitten aus dem Leben heraus, nicht im BETT.«
»Dann haben Ihnen Felix’ Eltern nie irgendwelche Babyfotos von ihm geschenkt?«, versuchte Bean es noch einmal. »Ein Bild, das am Tag Y aufgenommen wurde?«
»Am Tag Y, sagen Sie? Nun, da gab es diese POSTKARTE.«
»Warum hast du das nicht gleich gesagt, Tante Hen?«, fragte ich. »Eine Postkarte ...«
»Du hast nicht nach einer Postkarte GEFRAGT«, wies sie mich zurecht. »Da, gib mir die Schatulle.«
Ich stellte die runde Lederschatulle, die schwerer war, als sie aussah, zwischen uns auf die Couch. Tante Hen nahm den Deckel ab und durchstöberte den Wirrwarr alter Fotos, Briefe und Dokumente. Schon nach ein paar Minuten verkündete sie: »Da.« Ein jugendliches Lächeln glitt über ihre Züge. »Da war ich an Bord, im Mittelmeer, mein letztes Projekt, bevor ich mich nur noch auf die Lehrtätigkeit konzentrierte. Damals brauchten Briefe oft mehr als ZWEI Monate, um uns zu ERREICHEN.«
Auf der Postkarte sah die Golden Gate Bridge ziemlich genauso aus, wie ich sie gestern erlebt hatte, nur dass die Autos antik wirkten und in Silber, Beige oder anderen gedämpften Farben lackiert waren. Auf der Rückseite erkannte ich die Schrift meiner Mutter (oder vielmehr von Felix’ Mutter, da das Datum des Poststempels eine Woche nach dem Y-Tag lag). Ich überflog die Karte, bevor ich sie an Bean weiterreichte, die laut vorlas und gelegentlich innehielt, um ein Wort zu entziffern.
Liebe Henrietta
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ich hoffe, deine Expedition verläuft gut. Wir hatten heute einen herrlichen Tag. Am Nachmittag fuhren wir nach San Francisco, um eine Neuerwerbung abzuholen, und hatten noch Zeit für einen Spaziergang auf der Golden Gate
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