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Bezueglich Enten und Universen

Bezueglich Enten und Universen

Titel: Bezueglich Enten und Universen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neve Maslakovic
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dafür verantwortlich machen können, dass Murphina sich die Seuche eingefangen hat«, fügte ich hinzu, obwohl es mich ärgerte, dass die Quarantäne meinen Plan, unterhalb des Radarschirms der örtlichen DIM-Beamten zu bleiben, so gründlich vereitelt hatte. Ich hoffte, sie würden mir nicht zu viele Fragen stellen, und war bereit ihnen weiszumachen, dass mich nichts mehr interessierte als eine Fahrt mit dem Riesenrad am Baker Beach.
    Bean, der die Gegenwart der DIM-Beamten ebenfalls unbehaglich zu sein schien, zuckte beinahe unmerklich die Achseln und spießte eine weitere Erdbeere auf. »Erzähl mir von deiner Kindheit, Felix. Wie war sie?«
    Ich setzte mich ein wenig aufrechter hin. Sie wollte mehr über mich erfahren, toll. »Nun ja«, sagte ich, warf mich in die Brust und beschloss am Anfang zu beginnen. »Ich wurde in Carmel geboren. Ein oder zwei Jahre später hängten meine Eltern ihre Jobs in einer Kunstgalerie an den Nagel, fälschten ein paar Papiere – wie gesagt, es ist eine lange Geschichte, frag mich ein andermal danach – und wir zogen nach San Francisco. Nach der Highschool – meine Highschool-Geschichten erzähle ich dir auch ein andermal – ging ich auf die Uni in San Diego, anschließend zogen meine Eltern zurück nach Carmel. Sie eröffneten eine eigene Kunstgalerie, aber kurz danach starben sie bei einem Schiffsunglück. Was mich angeht, nach der Uni bekam ich den Job bei
Wagner’s Kitchen
 – wo ich seitdem Gebrauchsanweisungen zusammenstelle«, fügte ich hinzu und nippte vorsichtig an meinem Tee.
    »Bihistorie hat übrigens mehr mit dem zu tun, was früher Physik hieß, als mit Geschichte.«
    »Oh. Physik. Ich wälze da schon lange ein physikalisches Problem: Wann wurden Innentoiletten erfunden? Ich meine, ich habe mich immer gefragt, welche meiner Vorfahren sich, nun ja, in den Wäldern hinhocken mussten und welche auf dem›Thron‹ Platz nehmen durften.« Ich bemerkte, dass die DIM-Beamten mittlerweile mit Gabriella Love sprachen. Die avocadofarbenen Uniformen standen in schreiendem Kontrast zu ihrer rosa Garderobe. Sie wirkte nicht allzu erfreut, auf dem Weg zur Essenstheke aufgehalten worden zu sein.
    »Das ist ein mathematisches Problem«, erwiderte Bean auf die Physikfrage.
    »Weil alles ein mathematisches Problem ist?«
    »Genau. Was glaubst du, wie viele Vorfahren du, sagen wir mal, im Jahr eins hattest?«
    »Was, eins?« Ich kam zu dem Schluss, dass es sich entweder um Hibiskus oder afrikanischen Rotbuschtee handelte, nicht um Kirsche, und trank noch einen Schluck.
    »Das Jahr eins. Du weißt schon, eins vor Christus, die Null auslassen,
eins
nach Christus, zwei nach Christus und so weiter.«
    »Ach so, das Jahr
eins,
ich verstehe. Wie viele Vorfahren ich da hatte? Ich weiß nicht, vielleicht ein paar Tausend?« Ich brach ein Stück von meinem Croissant ab.
    Sie griff nach Messer und Gabel und begann das sichelförmige Stück Melone auf ihrem Teller systematisch zu attackieren. »Du hattest zwei Eltern«, sie teilte das Stück in zwei Hälften, »vier Großeltern« – schnipsel, schnipsel, in Viertel – »und acht Urgroßeltern« – schnipp, schnipp, schnipp, schnipp. »Die Anzahl der Vorfahren verdoppelt sich mit jeder Generation, die man in der Zeit zurückgeht, wobei etwa alle dreißig Jahre eine neue Generation auftaucht.« Sie legte eine Pause ein, um eines der winzigen Urururgroßenkel-Stückchen der Melone zu essen. »In zwanzig Jahrhunderten kommen wir auf etwa sechzig Generationen. Wenn wir mit dir anfangen und die Anzahl der Leute mit jedem Schritt in einer geometrischen Reihe verdoppeln, haben wir zwei, vier, acht, sechzehn und so weiter, bis zu zwei hoch sechzig. Das, Felix, ist eine
sehr
große Zahl, mehr als eineMilliarde Milliarden Menschen.« Sie widmete sich wieder ihrer Melone.
    »Aber warte mal«, protestierte ich. »Wie ist das möglich? Es gibt nicht einmal
jetzt
eine Milliarde Milliarden Menschen, nicht in beiden Universen zusammen, und in der antiken Welt schon gar nicht. Ich kann unmöglich so viele Vorfahren gehabt haben.«
    »Duplikate. Geteilte Verästelungen desselben Familienstammbaums. Deine Eltern könnten zum Beispiel denselben Urururgroßvater gehabt haben. Die Leute heiraten ständig ihre Cousins und Cousinen.«
    »Duplikate.«
    »Ja – doch. Was deinen Familienstammbaum zurechtstutzt und seine Äste miteinander verschränkt. Weil natürlich die Anzahl der Menschen auf der ganzen Welt kleiner wird, je weiter man in die

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