Bezueglich Enten und Universen
verlassene Korridore auf der Suche nach Raum 11, als ich Bean durch eine offen stehende Tür entdeckte. Sie hatte mir den Rücken zugewandt, die Füße auf den Schreibtisch gelegt und war in ein dickes Lehrbuch vertieft, dessen Ränder mit Notizen vollgekritzelt waren.
»Klopf, klopf«, sagte ich von der Tür aus.
Ihre Füße krachten zu Boden, das Buch knallte zu. »Was – ach, Felix, hallo. Du hast mich erschreckt.«
»Tut mir leid.«
»Ich hatte nicht erwartet ... Es ist nur so, dass es hier im Sommer sehr ruhig ist. Pak und Arni sind in einem Seminar und kommen erst später.«
»Darf ich hereinkommen?«
»Wo habe ich nur meine Manieren gelassen? Komm rein, natürlich, setz dich.« Sie stand auf, winkte mich herein und sah sich dann irgendwie befangen im Raum um. »Tja, da drüben ist die Couch, sie ist komfortabler, als sie aussieht. Oder willst du lieber einen Stuhl?«
Der Kellerraum war nur von Kunstlicht beleuchtet. An drei Wänden stand je ein Schreibtisch, neben der Tür befand sich eine weiße Tafel und in der Mitte sah ich eine abgewetzte Couch mit Baumwollbezug. Verschiedene Stühle, manche aus Plastik, andere aus Holz, verteilten sich im Raum. An einem der Schreibtische lehnte ein Fahrrad und in der hinteren Ecke summte ein elektrischer, vasenförmiger Samowar aus Edelstahlneben einem wilden Sammelsurium von Tassen und einer Spüle vor sich hin.
Ich setzte mich auf die Couch, während mein Blick kurz an einem Plakat hängen blieb, das den Betrachter drängte: Erforschen Sie die Geschichte ihres Lebens. Promotionsprojekt. Bean begann unruhig die Couch zu umrunden. »Ich bin dir eine Erklärung schuldig, Felix. Wir haben dich umkreist wie die Geier und waren so fixiert darauf, die Wahrheit herauszufinden, dass wir die Konsequenzen unseres Verhaltens nicht richtig bedacht haben.«
»Wölfe.«
»Was?« Sie blieb stehen und starrte mich an.
»Ich denke, Wölfe sind mir lieber als Geier. Ich bin noch nicht komplett tot.«
»Na gut, dann eben Wölfe«, sagte sie und tigerte weiter. »Die einzige Entschuldigung, die ich dafür anbieten kann, ein – einer dieser
Wölfe
zu sein, ist, dass wir es nicht des Geldes wegen tun. Vielleicht macht das aus deinem Blickwinkel keinen großen Unterschied. Ich meine, ob es uns ums Geld oder um Wissen geht.«
»Warum dann die Geheimniskrämerei?«
»Der Rat für Forschungssicherheit – sicher hast du schon davon gehört, es handelt sich um eine Unterabteilung des – nun, wie es sich ergibt, haben wir, also haben wir nicht oder zumindest noch nicht, die Zustimmung des Rats für unser Forschungsthema eingeholt. Ein klein wenig unethisch, ich weiß, aber Paragraf 19 macht die Dinge manchmal sehr kompliziert. Egal, offiziell spüren wir in Professor Max’ Gruppe den Unterschieden in der Entwicklung unserer beiden Universen nach.« Sie umrundete die Couch ein weiteres Mal und fuhr fort: »Da gibt es viele interessante Fragen zu klären. Zum Beispiel: Wie kam es dazu, dass es in Universum B eine überraschend kleine Anzahl von Hurrikanen gibt, während das umweltbewussteUniversum A sich davor gar nicht retten kann? Oder, etwas trivialer vielleicht, aber ebenso interessant«, meldete sie aus ihrer Umlaufbahn: »Warum ist in Universum A ›Ebenholz‹ die beliebteste Farbe für Badewannen, in B dagegen ›Perlweiß‹? Und warum haben B-Bewohner häufiger romantische Beziehungen? Wir haben mit Ereignisketten experimentiert, um zu sehen, wo ein falsch adressierter Brief oder ein Tisch voller kostenloser Süßigkeiten für die Studenten uns hinführen ... Ach, egal.« Sie verstummte, lehnte sich über die Rückenlehne der Couch und senkte die Stimme. »Außerdem suchen wir nach dem Primärauslöser des Tages Y.«
»Und daher die Herumschnüffelei.«
Ihre Wangen färbten sich rosa. »Wir waren nicht sicher, ob du nicht ein Betrüger bist, weil diese Fotografie vom Tag Y plötzlich wie aus dem Nichts auftauchte. Das DIM stellt Wissenschaftlern gelegentlich Fallen, wenn es unautorisierte Forschungen vermutet, also solche, die nicht in Übereinstimmung mit Paragraf 19 stehen. Aber selbst bei ganz regulären Projekten müssen wir vorsichtig an unsere Forschungsobjekte herantreten – Menschen, deren Lebensgeschichten wir brauchen –, weil es ja auch noch Paragraf 3 und andere Datenschutzgesetze gibt. Glücklicherweise ist die Sache in letzter Zeit recht populär geworden.« Sie deutete auf das Plakat, das für wissenschaftliche Nachforschungen über den
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