Bezwinger meines Herzens - Kennedy, K: Bezwinger meines Herzens - The Irish Warrior
Finians Worte drangen durch den Schleier der Erinnerung, der sie einhüllte. »Als sein Ende kam, war ich bei ihm.«
Natürlich war Finian bei ihm gewesen. Natürlich war er geblieben. »Das ist gut zu wissen«, sagte sie stockend.
»Er hat von dir gesprochen, Senna. Seine letzten Worte haben dir gegolten. Er hat mir aufgetragen, dich zu beschützen. Über alles.«
Sie biss sich auf die Unterlippe. Und was sollte sie jetzt damit anfangen? Es entsprach bestimmt der Wahrheit. Warum auch sollte er sie verletzen wollen? Ihr Vater hatte sie auf seine Art geliebt, davon war sie überzeugt. Aber das, was ihre Eltern miteinander gehabt hatten, hatte nur den beiden gehört. Das wusste Senna jetzt.
Auch nach dem Tod ihrer Mutter hatte diese Liebe ihren Vater nie mehr losgelassen: Wie ein Adler, der sich mit scharfen Krallen einen Fisch griff und nicht mehr freigab, hatte all sein Denken immer wieder um diese eine schreckliche Tatsache gekreist: Seine Frau war ermordet worden.
Und natürlich war sie mehr als nur seine Ehefrau gewesen. Sie war seine Inspiration gewesen und seine Geliebte – die Geliebte eines Spions. Wie hätte ein Kind damit konkurrieren können?
Und ihr Vater, dachte Senna, hatte die folgenden zwei Jahrzehnte seines Lebens damit verbracht, vorzugeben, jemand zu sein, der er gar nicht war. Er hatte sich von Rachegedanken und Intrigen beherrschen lassen, und seine beiden kleinen Kinder hatten keinen Platz mehr in seinem Leben gehabt.
»Finian?«, fragte sie mit belegter Stimme.
Er hockte immer noch vor ihr, schaute sie an und wartete. Die Unterarme hatte er auf die Kante der Bank gestützt, und die Handflächen lagen leicht auf Sennas Hüften. Mit dem Daumen streichelte er sie zart, wahrscheinlich ohne sich dessen bewusst zu sein.
»Danke, dass du meinen Vater nicht allein hast sterben lassen.«
»Dafür musst du mir nicht danken, Senna.«
Seine Worte lockerten ihre Tränen. Sie lehnte sich zu ihm vor, bis ihre Stirn seine berührte. Wie aus weiter Ferne hörte sie, dass die Tür geöffnet wurde, dass Schritte näher kamen und verharrten, Finian sich aber nicht von ihr löste. Seine Berührung half, obwohl ihre Gefühle sich immer noch überstürzten wie ein Wasserfall. Und mit jeder Träne fluteten neue Bilder aus dem Buch ihrer Mutter durch ihren Kopf, blitzten auf und wirbelten durcheinander.
Während die Bruchstücke der Erinnerung auf sie einstürmten, an ihren Platz rückten und in ihr Gedächtnis sanken, spürte Senna, dass etwas daran nicht stimmte. Dass etwas fehlte.
Sie richtete sich auf. »Lass mich das Färber-Buch noch einmal ansehen.«
Er reichte es ihr. Sie blätterte es bis zum Ende durch. Dann einige Seiten zurück, dann wieder vor bis zum Ende. Ganz langsam.
»Was ist los?«, fragte Finian und versuchte, den drängenden Tonfall zu dämpfen. »Was stimmt nicht?«
Sie schaute auf. »Es fehlen Seiten.«
»Woher weißt du das?«
Senna streckte ihm das Handbuch entgegen. »Schau, hier. Es ist zerrissen.«
Finian fuhr mit dem Daumen über die schwache, abgegriffene Kante einer herausgerissenen Seite.
»Ist das sehr wichtig?«, fragte der König von der Tür her.
Senna erhob sich und ging zu ihm. Sie blätterte wieder bis zum Ende und reichte ihm das aufgeschlagene Buch. »Seht Ihr diese Zahlen? Und diese Zusammenstellung von Worten und Symbolen? Das sind die Zutaten.«
Der König blickte erst sie und dann Finian an. »Ich dachte, Ihr versteht nichts vom Färben.«
Sie hörte, wie Finian sich erhob, und zuckte mit den Schultern. »Das stimmt. Ich kann nicht sagen, warum ich es weiß. Ich ... ich weiß es einfach.«
»Die Legende behauptet, es liege im Blut.«
Senna seufzte tief. »Ich bin diese Legenden und Geschichten aus der Vergangenheit gründlich leid. Ich weiß nicht, woher ich mich mit diesen Dingen auskenne. Ich weiß es einfach. Und ich kann Euch versichern, dass die Anweisungen auf dieser Seite zu abrupt enden. Es gibt noch mehr Seiten, und diese Seiten fehlen in diesem Buch. Und das computare für das hier«, sie zeigte auf die glänzende Tunika auf der Bank, »also die Berechnung findet sich auf den fehlenden Seiten.«
Finian atmete tief durch. Der König schaute ihn an. Der Pelzbesatz seines Ärmels streift ihren Arm, als er sich zu Finian drehte.
»Die Seiten könnten überall sein«, sagte der König und schickte sich an, das Zimmer zu verlassen. »Oder bei irgendwem. Aber es muss sich um jemanden handeln, den Red gut kannte. Finian, ruf eine Schar erfahrener
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