Bezwinger meines Herzens - Kennedy, K: Bezwinger meines Herzens - The Irish Warrior
hatten, und die der Wein im Laufe der Zeit überwuchert hatte.
»Ah.« Eine Libelle schwebte lautlos über Finians Schulter. Wie ein zitternder, schillernder Pfeil. Dann schoss sie davon. »Dann gab es nur Euch und Euren Bruder? Ihr habt Euch gegenseitig aufgezogen?«
»Nur uns zwei gab es. Bis es für ihn Zeit wurde, zu gehen.«
Senna war bewusst, dass die Wehmut in ihrer Stimme ebenso viel verriet wie die Worte. Sie schaute zu Finian hinüber und hasste es wie die Pest, dass sie nichts als Hohn erwartete. Oder schlimmer noch, Desinteresse.
Aber stattdessen entdeckte sie dunkle Augen, die sie aufmerksam anblickten. Das gefilterte Sonnenlicht ließ seinen ernsten Blick schattig aussehen. Und als er nickte, langsam und ernst, fühlte sie sich angenommen.
Und in diesem Moment brach der Hauch eines neuen Verlangens in ihr Bewusstsein.
Finian hielt den Blick weiter auf sie gerichtet, schaute sie an wie von Gleich zu Gleich und hörte zu, als wären die Dinge, die sie erzählte, überhaupt nicht beschämend Obwohl sie es doch waren. Sogar in höchstem Maße beschämend. Die Dinge, die ihr Vater zugelassen hatte, die Art, wie er durch das Leben ging, ein Strom voller Möglichkeiten, der zu einem seichten Teich versiegte, nachdem er dem Spiel verfallen war. Nachdem Mama fortgegangen war.
Und die Schande ihrer Mutter, die man sich auch dann nicht würde ausrechnen können, zöge man jeden Abakus in Frankreich zurate. Schon als Kind hatte Senna es so empfunden, als würden die Menschen in ihrer Nähe ihr mit jedem Blick zu verstehen geben, wie schändlich ihre Mutter sich benahm. Glitschig und trügerisch war der Boden, auf dem sie sich bewegte. Lieber nicht nach unten schauen.
Und all das steckte natürlich auch in Senna.
Sie reckte das Kinn hoch. Es war eine Geste, die sie sich schon vor Jahren angewöhnt hatte und die sie immer dann einsetzte, wenn die Scham drohte, ihr ein Geschäft zu verderben. »Ich habe das Geschäft übernommen, als ich ... nachdem ich fünfzehn geworden war. Mein Vater war niemals zu Hause. Will dient als Ritter. Ich weiß nicht genau, was er macht. Er spricht nicht darüber. Irgendetwas für verschiedene Lords. Glaube ich jedenfalls. Geheiratet hat er noch nicht. Das kann nicht gut sein. Er sieht nicht so aus, als sei es gut für ihn. Er sieht eher ... hart und unnachgiebig aus.«
»Und was sagt Euer unnachgiebiger Bruder dazu, dass Ihr Euch auf die Reise nach Irland gemacht habt?«
»Er weiß es gar nicht.«
Freundschaftliches Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Finian ließ den Blick über den Fluss schweifen. Kein Dorfbewohner in Sicht. Er hockte sich auf die Knie und prüfte noch einmal genau die Gegend, bevor er sich erhob.
»Lasst uns gehen, kleine Lady.«
Die Sonne brannte Senna auf Kopf und Nacken, als sie sich ihren Weg durch das Schilf bahnten. Alles schien so hell und nah. Die Welt roch frisch, wie nach warmer, sauberer Erde und nach Kiefern, nach Blüten und Wasser. Sie fand keine Worte, um die Schönheit Irlands zu beschreiben, die so lebhaft und großartig war wie ein Tropfen Tinte auf einem Stück Pergament.
Das hohe Schilf raschelte verschwörerisch, als es sich hinter ihnen schloss. Kleine Windstöße hauchten über den Fluss, der so blau leuchtete, dass es ihr beinahe in den Augen wehtat. Aber ihr Magen zog sich zusammen, als sie daran dachte, in ein Boot steigen zu müssen.
Senna schaute weder nach rechts noch nach links beim Gehen und ergab sich ihrem Schicksal, sich trotz der unbeschreiblichen Schönheit der irische Landschaft krank zu fühlen. Oder gerade deswegen - wegen des Wassers.
Resigniert schloss sie die Augen, legte die Hand auf den Rand eines alten Holzbootes und schob ihr Bein hinüber.
»Nein, Senna!«, zischte Finian hinter ihr.
Sie befand sich halb im Boot, halb draußen, und drehte sich erschrocken um.
»Nicht das.« Er tauchte ein wenig aus der Hocke auf. »Dies hier.« Finian zeigte auf ein kleineres Boot, das mitten im Schilf befestigt und kaum zu sehen war.
Seufzend zog Senna das Bein zurück und stützte sich dabei fest auf den Bootsrand. Naturgemäß begann das Boot zu schaukeln. Und Sennas Fuß steckte irgendwie fest.
Das kleine Boot trieb aus dem Schilf auf den Fluss. Das Seil straffte sich sofort und riss es zurück. Senna kämpfte um ihr Gleichgewicht. Es platschte heftig, als sie ins Wasser fiel. Der Fuß steckte immer noch fest.
Wie sehr sie Boote doch hasste!
Senna versuchte, mit dem Bein in die Luft zu treten, um sich
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