Bezwinger meines Herzens - Kennedy, K: Bezwinger meines Herzens - The Irish Warrior
aus der Klemme zu befreien. Doch bei jedem Tritt musste sie sich weit zurückneigen und geriet mit dem Kopf unter Wasser. Ihre Finger gruben sich in den Flussgrund. Wie lange würde es dauern, bis der Besitzer des Bootes den Lärm hörte und nachschaute?
»Was habt Ihr an meinem Boot zu suchen?«
Offensichtlich nicht sehr lange.
Senna versuchte, den Kopf zu drehen, um zu sehen, wen sie mit ihrem hochgradig beschämenden, aber noch nicht kriminellen Handeln belästigte.
Finians Beine rückten in ihr Blickfeld. Sie schaute in sein Gesicht, aus dem Verachtung zu sprechen schien, wenn sie richtig las. Ja, es stimmte, obwohl sie ja praktisch auf dem Kopf stand. Vielleicht betrachtete sie alles nur aus dem falschen Blickwinkel.
Finian stützte ihren Rücken mit dem Arm, was ihr den Halt verschaffte, ihren Fuß zu befreien. Dann half er ihr, sich ans Ufer zu schleppen. Da stand sie nun, tropfnass, mit Seegras im Nacken. Sie zog sich das Seegras aus der Tunika und schaute in ein düsteres, merkwürdigerweise aber wenig überrascht schauendes Gesicht eines alten Mannes.
»Was habt Ihr in meinem Boot zu suchen?«
»Ich wollte nur über die K ... über den Rand klettern«, verkündete sie heiter. »Es ist ein wenig nass geworden, aber das macht nichts.«
Finian und der alte Mann blickten sie grimmig an, bevor Finian sich an ihn wandte.
»Großvater«, murmelte er und senkte den Kopf. Das war auch schon das letzte Wort, das Senna verstand, weil Finian in die beschwörendste und gefühlvollste Sprache verfiel, die sie jemals gehört hatte. Irisch, das ihm tief aus der Kehle drang. Schon die Sprache raubte ihr beinahe den Atem, aber ganz bestimmt Finian.
Als sie seine Haltung sah, die von Respekt gegenüber dem alten Mann sprach. Als sie ihm lauschte -ihm, den sie im Grunde genommen überhaupt nicht kannte – und zusah, wie er sich vor ihren Augen von einem grimmigen Krieger zu einem liebenswürdigen Mann wandelte.
Wild klang seine Sprache. Wild, das war er. Wild, das war es, was sie sein wollte.
Ohne Vorwarnung löste Finian sich aus seiner Reglosigkeit und schleuderte ein paar schwere Bündel in das Boot, das Senna beinahe hatte kentern lassen. Und er kehrte zu einer Sprache zurück, die sie verstehen konnte.
»Wir werden das nach Cúil Dubh für Euch bringen, Großvater. Und mein Dank sei Euch gewiss.«
Gleichmütig stand der alte Mann da. Er musste etwa sechzig Jahre alt und besser bei Kräften sein als viele andere Männer, die nur halb so alt waren wie er. Der Mann war muskulös und sehnig – und er war misstrauisch und sah nicht sehr glücklich aus. Aber er stritt auch nicht. Finian bewegte sich rasch, warf noch einen Sack in das Boot und murmelte Senna zu, dass sie an Bord klettern solle.
Sie zögerte. Der alte Mann beobachtete sie mit schlauem Blick. Seine Augen waren blauer als das Wasser, die Brauen so wild gewachsen wie das Schilf, durch das sie gekrochen waren, und das Gesicht so zerfurcht wie aufgerissener Erdboden. Ein alter Brummbär. Senna lächelte. Sie hatte schon einmal in ihrem Leben mit einem Brummbären zu tun gehabt ... ihrem Großvater, den sie nicht mehr gesehen hatte, seit ihre Mutter verschwunden war. Senna mochte Brummbären.
Zögernd lächelte der alte Bär zurück.
»Wir müssen aufbrechen, Senna«, sagte Finian leichthin. Aber sie hörte den gehetzten Unterton. Als machte er sich Sorgen. Als könnte der alte Mann sich jeden Augenblick umdrehen und Hilfe herbeirufen. Jüngere, bewaffnete Männer.
Ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, griff Senna in den Beutel, den sie sich umgehängt hatte, und kramte ein paar Münzen heraus, die sie aus Rardoves Truhe gestohlen hatte. Sie drückte ihm die Münzen in die Hand. Ein paar Pennys, die für ihre Zukunft verloren waren. Aber die war sie ihm schuldig.
»Ich danke Euch, Großvater«, wisperte sie und gab ihm mit dem Finger auf den Lippen zu verstehen, dass er schweigen solle.
Er schloss die Hand über der Münze, die bestimmt ausreichte, ihn und seine acht Nachbarn über das Jahrzehnt zu bringen. Sein Lächeln wurde nicht breiter, aber langsam, ganz langsam senkte sich ein Augenlid und er blinzelte ihr auf die außergewöhnlichste Weise zu, die Senna jemals erlebt hatte. Sie errötete bis an die Haarspitzen und stieg ins Boot.
Als Senna und Finian losfuhren, schaute der alte Mann dem Boot nach, bis das hohe Schilf ihn verschluckte und nichts mehr zu sehen war als der Himmel, der sich blau über ihnen wölbte. Und der
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