Bezwungen von deiner Leidenschaft: Roman (German Edition)
Rothewell sie auf die Augenbraue, dann auf die Wange. »Du bist nicht skandalös.«
Rothewell war beim besten Willen kein intuitiver Mann, aber selbst er konnte erkennen, dass Camilles Verzweiflung wenig mit Halburne zu tun hatte und weitaus mehr mit dem Schmerz über den sehr öffentlichen Verrat ihres Vaters. Mit der eitlen Dummheit ihrer Mutter. Den traurigen Umständen ihrer Geburt.
Hätte Camille liebende Eltern gehabt, hätte sie das Getuschel und die Seitenblicke der Gesellschaft ungerührt an sich abprallen lassen können. Stattdessen hatte Valigny heute Nachmittag ihre missliche Lage zu seiner Belustigung benutzt – und das nicht zum ersten Mal. Rothewell begann zu denken, dass ein Kind vielleicht schlimmeren Qualen ausgesetzt sein könnte als der Peitsche eines bösartigen Onkels.
»Ich werde nicht zulassen, dass irgendetwas deine Zukunft zerstört, Camille«, sagte er entschlossen. »Das schwöre ich.«
Das ließ sie aufschauen. Ihr tränenerfüllter, leicht anklagender Blick traf seinen. »Aber was ist, wenn du nicht hier bist«, flüsterte sie heiser. »Lüg mich nicht an. O Kieran, versprich mir nichts, das du nicht halten kannst.«
Gott wusste, dass er kein Held war, aber er wusste nicht, was er jetzt anderes sein konnte. Also legte er die Hände um ihr Gesicht, als er sie wieder küsste, dieses Mal auf ihren Mund. »Das werde ich nicht«, schwor er. Doch selbst als er dies sagte, wusste er, dass es vermutlich eine Lüge war. »Ich werde es halten, Camille. Ich werde mich um dich kümmern. Um dies hier. Um alles. Ich schwöre es. Ich werde dich sogar aus London fortbringen, wenn das dein Wunsch ist. Nach – nach Cheshire, wenn du willst. Auf meinen Landsitz.«
»Ist es weit weg?«, fragte sie, während seine Lippen über ihre Wange glitten.
»Zweihundert Meilen«, sagte er. »Und wenn das nicht weit genug ist, haben wir Barbados.«
Sie hatte fast verträumt die Augen geschlossen. »Je ne sais pas«, wisperte sie. »Ich – ich weiß es nicht. Ich bin kein Feigling, Kieran. Das bin ich nicht. Und ich denke, vielleicht würde ich mich selbst nicht sehr mögen, sollte ich einer werden.«
»Nein, meine Liebe.« Rothewell zog sie an sich und lehnte sich an das Kopfbrett des Bettes. »Nein, du bist kein Feigling, das habe ich schon herausgefunden, auf eigene Gefahr.«
Sie stieß einen leisen Laut aus, der wie Lachen und Weinen zugleich klang. Er beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie wieder. Es war ein Kuss, so hoffte er, der ihr Sicherheit gab.
Er fühlte einen seltsamen Stolz auf sie. Camille hatte erhobenen Hauptes ins Antlitz von Christines Gehässigkeit und dem grausamen Lachen ihres Vaters gesehen. Sie besaß eine Charakterstärke, wie nur wenige Menschen sie besaßen. Sie war eine Frau, die überleben würde.
Von Anfang an hatte sie auf Rothewell den Eindruck einer Frau gemacht, die ihr Schicksal in der Hand hielt, aber jetzt, da Rothewell sie kannte – sie wirklich kannte –, konnte selbst er sehen, dass es immer ihre Verlassenheit gewesen war, die sie getrieben hatte. Sie war entschlossen gewesen, ihr Schicksal niemals einem Mann anzuvertrauen – nicht, solange sie es vermeiden konnte.
Leider war es dazu jetzt zu spät. Sie war jetzt Lady Rothewell – und auf eine vielleicht selbstsüchtige Weise war er froh darüber. Und er würde alles in seiner Macht Stehende tun, sie zu beschützen.
»Schau auf das Angenehme, meine Liebe«, murmelte er und hob ihr Kinn mit einem Finger an. »Ich weiß, es ist nicht viel, aber du hast mich. Und du hast Jim-Jim, oder wie auch immer der kleine Teufel heißt.«
Sie lachte. »Chin-Chin«, sagte sie und warf einen liebevollen Blick auf den Spaniel. »Und ich dachte, du wolltest ihn zu Lord Tweedale zurückbringen? Stattdessen schläft er in deinem Bett und wird dick.«
Rothewell wandte den Blick ab. »Ich scheine Tweedale nie zu Hause anzutreffen«, sagte er ausweichend. »Aber falls er hierbleibt, wird er einen richtigen Namen brauchen. Ich will verdammt sein, wenn ich einen Hund Chin-Chin rufe.«
Sie verharrte einen Augenblick in seinen Armen. Sie wirkte jetzt gefasster, und der Ausdruck in ihren Augen änderte sich rasch von Erheiterung zu etwas ganz anderem, als sie ihn ansah. »O Kieran«, wisperte sie. »Es ist nicht wahr, was du heute gesagt hast. Es ist nicht wahr.«
Er schaute verwirrt auf sie hinunter. »Was habe ich denn gesagt?«
»Ich werde nicht daran denken – an sie – jedes Mal, wenn ich dich ansehe«, wisperte sie.
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