Bezwungen von deiner Leidenschaft: Roman (German Edition)
murmelte er. »Ich denke, ich höre das fatale Ticken einer Uhr – und damit meine ich nicht die auf dem Kaminsims.«
Sie zögerte kurz. »Sechs Wochen«, wisperte sie schließlich.
»Sechs Wochen?«, wiederholte er. »Warum nur noch eine so kurze Zeit?«
Etwas wie Resignation zeigte sich auf ihrem Gesicht. »Ich hatte zehn Jahre Zeit«, antwortete sie. »Zehn Jahre, in denen ich – wie sagt man? – den Ritter in der schimmernden Rüstung hätte finden können?«
»Ja, so sagt man«, bestätigte er.
Sie lächelte bitter. »Mein Großvater hat das entschieden, als ich noch sehr jung war. Aber ich habe die Schreiben des Anwalts erst vor Kurzem gefunden – nach dem Tod meiner Mutter.«
Rothewell sah sie erstaunt an. »Himmel Herrgott, sie hatte es Ihnen nicht gesagt?«
Mademoiselle Marchand schüttelte den Kopf. »Ich war ja so dumm«, sagte sie leise. »Ich war eine Närrin zu denken, dass Valigny mir helfen könnte. Keine Familie, die auf sich hält, ist bereit, ihn zu empfangen. Er hat meine kostbare Zeit verschwendet.«
»Also gut.« Rothewell schluckte. »Sie haben sechs Wochen Zeit. Und was wird dann sein?«
Sie hob kaum merklich das Kinn. »Mein achtundzwanzigster – wie sagt man? – der Jahrestag, an dem man geboren wurde?«
»Ihr Geburtstag?«, sagte Rothewell ungläubig. »Sie müssen bis zu Ihrem achtundzwanzigsten Geburtstag verheiratet sein?«
»Um den ersten Sou zu bekommen, oui , muss ich bis zu meinem achtundzwanzigsten Geburtstag verheiratet sein und binnen zweier weiterer Jahre ein Kind von meinem Ehemann gebären.«
»Und Ihr Vater weiß das?« Rothewell fühlte vages Entsetzen. »Er weiß das, und er hat Sie benutzt. Als Einsatz bei einem Kartenspiel.«
»Valigny, fürchte ich, ist ohne jeden Skrupel«, erwiderte sie emotionslos. Ihre Augen waren noch immer auf ihn gerichtet, dunkel und wissend. »Aber seien Sie versichert, Mylord, dass ich heiraten werde. Weil es ansonsten nichts für mich geben wird. Nichts als Valignys Großzügigkeit, die sich noch nie als sehr verlässlich erwiesen hat.«
»Ich verstehe«, murmelte er.
»Also, was wird nun, Rothewell? Werde ich Sie heiraten? Oder muss ich den widerlichen Lord Enders in mein Bett lassen?«
Guter Gott, sie hatte wirklich vor, einen von ihnen zu heiraten? Und die Wahl lag bei ihm?
Er sah wieder in ihre unglaublich braunen Augen. Sie meinte es ernst. Todernst.
Rothewell fühlte sich, als hätte ihm soeben jemand die Luft aus der Lunge gepresst.
Aber Mademoiselle Marchand – Camille – sah ihn noch immer an: Ihr Gesichtsausdruck war seltsam heiter, ihre Hände einmal mehr sittsam gefaltet. Sie wartete. Wartete auf seine Antwort. Er holte tief Luft, dann ließ er seinen Blick noch einmal über sie gleiten. Sie war so wunderschön, dass ihre Schönheit selbst Tote würde wiederauferstehen lassen können – fast -, und man konnte nicht leugnen, dass er sie, trotz aller Emotion an diesem schrecklichen Abend, noch immer begehrte. Der Kuss hatte nur dazu gedient, die Flamme anzufachen, die in dem Moment aufgeflackert war, als sie den Salon betreten hatte.
Nun, er hatte mit dieser Farce begonnen, oder nicht? Dann konnte er sie auch ebenso gut zu einem Ende bringen. Gott wusste, dass das für ihn kaum einen Unterschied machte.
»Haben Sie eine Zofe?«, fragte er unvermittelt.
»Oui, bien sûr«, sagte sie. »Warum?«
Rothewell packte sie fast grob am Ellbogen. »Weil wir sie jetzt holen werden«, erklärte er grimmig. »Und dann werden wir in Ihr Schlafzimmer gehen, um Ihre Sachen zu packen.«
»Mitten in der Nacht?« Ihre Stimme klang hoch. »Warum?«
»Ja. Mitten in der Nacht.« Er hatte die Tür geöffnet und führte sie aus dem Zimmer. »Weil ich verdammt sein will, wenn Sie jemals wieder eine Nacht unter Valignys Dach verbringen werden.«
Binnen einer Stunde verließen sie das Haus, und Rothewell half Mademoiselle Marchand in seine Kutsche. Ihre Hand lag warm und leicht in seiner. Er schaute hinunter auf ihre Finger, die schlank und sorgsam manikürt waren. Es war eine tüchtig aussehende Hand.
Seit sie ihr Wohnzimmer verlassen hatten, bewegte er sich wie in einem Traum, hatte er Mademoiselle Marchand Anweisungen gegeben und den Dienstboten Befehle erteilt. Und er hatte sich bewusst von Valigny ferngehalten. Und während der ganzen Zeit fühlte es sich für Rothewell an, als sähe er einem anderen Mann zu, der unumkehrbar sein Leben änderte.
Die Zofe erwies sich als dünnes, blassgesichtiges Mädchen, das Angst vor
Weitere Kostenlose Bücher