Bezwungen von deiner Leidenschaft: Roman (German Edition)
die ihn einhüllte wie ein Mantel.
Bei diesem Gedanken musste Camille lachen. Emily sah sie neugierig an.
Ja, ich muss wirklich den Verstand verloren haben, dachte Camille. Sie war überspannt und, was noch schlimmer war, melodramatisch. Nur noch einige wenige Schritte mehr auf diesem Weg und sie würde sein wie ihre Mutter.
In diesem Augenblick war ein leises Klopfen an der Tür zu hören. Emily öffnete. Ein Lakai stand in steifer Habachtstellung vor der Tür. Die Countess of Sharpe wünschte Camilles Aufwartung. Ohne Zweifel war die Lady darüber entzückt gewesen zu hören, dass das illegitime Kind von Londons verruchtestem Schurken in einem ihrer Gästezimmer einquartiert worden war, während sie geschlafen hatte.
Zehn Minuten später saß Camille in Lady Sharpes privatem Wohnzimmer, eine Tasse Kaffee in der Hand. Eine Tasse guten Kaffee. Nicht das billige verdünnte Gebräu, auf das zu servieren Valigny bestand, wenn keine Gäste im Haus waren.
Lady Sharpe lächelte sie mit einer Freundlichkeit an, von der Camille annahm, dass sie doch eigentlich nur gezwungen sein konnte. Und dennoch hatte sie die Countess während ihrer Unterhaltung bis jetzt weder wütend noch verärgert erlebt. Lady Sharpe war eine hübsche, nicht mehr ganz junge Frau mit rundlicher Figur und ausgeglichenem Temperament. Und sie verfügte über ein gutes Maß an gesundem Menschenverstand, dachte Camille.
»Sie sind also in Frankreich auf dem Lande groß geworden, meine Liebe?«, fragte die Countess und beugte sich vor, um Camilles Tasse aufzufüllen. »Das muss wundervoll gewesen sein.«
Es war alles andere als wundervoll, aber Camille hielt es für undiplomatisch, das zu äußern. »Valignys Onkel besaß ein kleines Schloss in Limousin«, sagte sie. »Er hat Mutter gestattet, es zu nutzen, wenn er es nicht brauchte, ebenso wie sein Haus in Paris.«
»Das klingt, als sei er sehr großzügig«, sagte Lady Sharpe.
Er war großzügig gewesen – aber wie die meisten Männer hatte er etwas dafür erwartet. » Oui , Madame«, entgegnete Camille. »Meine Mutter war ihm sehr dankbar.«
Mit leicht geschürzten Lippen griff Lady Sharpe nach ihrer Kaffeetasse, die leise auf dem Teller klirrte. Sie ist nervös, erkannte Camille, und um ihre Augen liegt eine kaum wahrnehmbare Anspannung.
»Nun, meine Liebe, jetzt, da wir uns ein wenig kennengelernt haben«, sagte die Countess, »erzählen Sie mir von dieser … dieser Verlobung, die Sie mit meinem Cousin eingegangen sind.«
Camille hob leicht das Kinn. »Die Sie sicherlich missbilligen, Madame.«
Lady Sharpes Augen weiteten sich. »Ich bin mir nicht sicher«, antwortete sie. »Man könnte fast dankbar dafür sein, dass Sie bereit sind, ihn zu nehmen. Aber Rothewell hat niemals auch nur das geringste Bedürfnis nach einem häuslichen Leben erkennen lassen.«
Camille brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Sie lassen ihn klingen wie einen – einen petit chien - einen kleinen Hund, non? Einen, der nicht gelernt hat, sich im Haus zu benehmen.«
»Ja, wie ein Welpe.« Die Augen der Countess funkelten. »Es gibt da eine gewisse Vergleichbarkeit, dem würde ich zustimmen – obwohl Rothewell alles andere als klein oder niedlich ist.«
Nach diesen Worten senkte sich ein langes Schweigen über das Zimmer, und der Eindruck von Ernst kehrte zurück. Die Countess wünschte eine Antwort auf ihre Frage zu bekommen. Camille hielt deren Blick stand, ohne zusammenzuzucken. »Lord Rothewell wird Ihnen gesagt haben, dass diese Verlobung zwischen ihm und meinem Vater vereinbart worden ist, oui?«
Lady Sharpe wandte den Blick ab. »Ja, so etwas in der Art sagte er darüber«, gab sie zu. »Aber Sie sind ihm vor gestern Abend nie begegnet?«
»Ich begegne ihm jetzt«, erwiderte Camille.
»Und Sie sind gewillt, ihn zu heiraten?«
»Oui, Madame«, entgegnete sie. »Ich habe meine Zusage gegeben.«
Lady Sharpes Lippen wurden schmal. »Aber … aber warum?«
»Warum?«, wiederholte Camille. »Ich bin weit über das Alter hinaus, Madame, in dem eine Frau verheiratet sein sollte. Und hier in England wird meine Abstammung bestenfalls für fragwürdig gehalten. Rothewell hat zugestimmt, mich zu nehmen. Denken Sie nicht, dass ich dankbar sein sollte?«
Lady Sharpes Augenbrauen hatten sich zusammengezogen. »Aber das alles klingt so … so schrecklich praktisch.«
Camille faltete die Hände sorgsam in ihrem Schoß. »Ich brauche einen Ehemann. Ich habe kein Interesse an Romantik oder anderen derartigen
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