Bezwungen von deiner Leidenschaft: Roman (German Edition)
über die Entlassung des Kabinetts Villèle gestellt hatte. Camille hatte sich veranlasst gesehen, sich ihm zuzuwenden und ihn zu bitten, die Frage zu wiederholen. Der Gentleman hatte dies mit Freuden getan und sich überdies ausführlich über Frankreichs Haltung zum heimlichen Sklavenhandel ausgelassen, ein Thema, das für ihn offensichtlich von Interesse war. Camille war gezwungen, zu nicken und seine Fragen zu beantworten, bis seine Mutter ihm unter dem Tisch einen leichten Tritt versetzte und ihm befahl, an der Tafel nicht über Politik zu reden.
Und so war Camilles Blick zu Rothewell zurückgekehrt, fast gegen ihren Willen. Er aß kaum etwas, bemerkte sie. Das kam ihr seltsam vor, denn er sah aus wie ein Mann von großem Appetit, und das in jeder Bedeutung dieses Wortes.
Er war erst nach all den anderen Gästen eingetroffen, und Camilles Groll war von einem plötzlichen Gefühl banger Vorahnung ersetzt worden. Auch das Lächeln von Rothewells Schwester hatte begonnen, leicht angestrengt auszusehen, während ihr Blick immer wieder zur Tür geglitten war. Während ein Salon voller Gäste gelacht, Champagner getrunken und ihr Glückwünsche ausgesprochen hatte, war Camille im Stillen davon überzeugt gewesen, dass Rothewell überhaupt nicht kommen würde.
Sie versuchte zu entscheiden, ob sie erleichtert oder ärgerlich sein sollte, als er die Eingangshalle betrat. Er trug ein langes schwarzes Cape und hielt einen schwarzen Spazierstock mit einem goldenen Knauf in der Hand. Camille beobachtete durch die Flügeltür des Salons, wie ihm ein Lakai den Umhang abnahm: Rothewell trug sein übliches Schwarz, eine Brokatweste – und eine Miene, die so abweisend war, wie Camille sie in Erinnerung hatte.
In dem Moment aber, als er sie sah, hatte er den Raum durchquert und sie damit schockiert, dass er ihr einen Handkuss gegeben hatte; einen überraschend heftigen Kuss noch dazu, nicht eine leichte angedeutete Geste, die irgendwie in der Luft schwebte. Camille hatte gespürt, wie sie errötete, und das sehr zum Entzücken von Lord Nashs Stiefmutter und Tante.
Jetzt war das Essen vorüber, und die Damen erwarteten die Gentlemen im lang gestreckten blau-goldenen Salon. Aus einiger Entfernung beobachtete Camille, dass Rothewells Schwester Kaffee einschenkte für jene, die es wünschten, und ihre Aufmerksamkeit dann der Dame neben ihr zuwandte. Camille schlenderte zu dem Flügel, der ihr beim Betreten des Raumes sofort aufgefallen war. Es war ein herrliches Instrument aus Wurzelholz mit vergoldeten Kanten und Beinen, die so zart geschwungen waren, dass man sich verwundert fragte, wie diese das Gewicht tragen konnten. Ein wenig ehrfürchtig setzte sie sich auf die Klavierbank und strich mit der Hand über das Holz.
»Wunderschön, nicht wahr?«
Camille schaute auf und bemerkte verwirrt, dass Rothewell neben ihr stand. Sie hatte die Herren nicht von ihrem Portwein in den Salon zurückkehren gehört. Ein Ansturm von Gefühlen durchpulste sie plötzlich. »Mais oui«, erwiderte sie kühl. »Es ist incroyable .«
Einen Moment lang schwieg er. Ihre Augen bekamen einen harten Ausdruck, und ein Blick ging zwischen ihnen hin und her, dunkel und aufgewühlt. Er wusste natürlich, dass sie wütend war. Gut so .
Sie beherrschte ihren Wunsch, ihn zu schlagen. Ihm mit unmissverständlichen Worten zu sagen, dass seine Tage mit Mrs. Ambrose gezählt waren. Aber das war nicht angebracht, wenn so viele Augen auf sie gerichtet waren. Es wäre ohnehin nur eine leere Drohung gewesen.
Rothewell stützte sich mit einem Unterarm auf den Flügel und beugte sich vor, als wollte er Camille in Versuchung führen, ihn zu ohrfeigen. »Ich weiß natürlich nur sehr wenig über Musik«, sagte er jetzt, als hätte es diesen dunklen Augenblick nie gegeben, »aber ich erkenne gute Handarbeit, wenn ich sie sehe.«
»Allein schon die Vergoldungen und Schnitzereien müssen ein Vermögen wert sein«, brachte sie fertig zu entgegnen.
Rothewell betrachtete sie einen Moment lang schweigend. »Sie sehen bezaubernd aus heute Abend, Camille«, sagte er leise. »Geht es Ihnen gut? Waren alle hier freundlich zu Ihnen?«
Lag da eine Spur aufrichtiger Besorgnis in seiner Stimme? » Merci , Mylord«, antwortete sie, und einiges ihrer Streitlust verlor sich. »Jeder hier war sehr liebenswürdig. Und der Kuss – der Kuss auf meine Hand –, er war unnötig. Aber wohl überlegt.«
»Wohl überlegt?«, wiederholte er tonlos.
In diesem Moment entdeckte Lord Nash sie
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