Bezwungen von deiner Leidenschaft: Roman (German Edition)
zugeschrieben hatte. Sie war aus Sharpes Eingangsportal gestürzt, die Freitreppe hinuntergerauscht, ihre Augen hatten Funken gesprüht, und ihre gezischten Worte waren voller eisiger Gewissheit gewesen. »Oh, dafür wirst du bezahlen, Rothewell«, hatte sie gedroht. »Darauf kannst du dich verlassen.«
Christine hatte das große Glück gehabt, ihn unvorbereitet zu treffen. Mit seinen Gedanken war er noch bei dem gewesen, was er eben in Sharpes Garten erlebt hatte. Er spürte noch den Geschmack von Mademoiselle Marchands üppigem, köstlichen Mund auf seinem, und der Stachel ihrer kalten Bemerkung brannte noch in seinem Fleisch. Sie wollte nicht geküsst werden. Oder umarmt. Oder damit Zeit verschwenden. Also gut. Er würde sie einfach nur vögeln. Das war ohnehin das Einzige, was er wollte.
Wieder presste Rothewell mit gespreizten Fingerspitzen seine Nasenwurzel. Lieber Gott, was stimmte nicht mit ihm? Ja, er befürchtete sehr, dass er würde bezahlen müssen – aber nicht auf die Art, die Christine ihm angekündigt hatte. Camille Marchand – müsste er darauf wetten – würde eine weitaus stärkere Gegnerin sein. Bei ihr gab es keine Wutausbrüche, kein überflüssiges Getue. Sie war hart. Hart auf eine unbarmherzige, fast skrupellose Art. Seltsam, wie ein Mensch seine Charakterzüge bei einem anderen wiedererkennen konnte.
Auf jeden Fall riskierte er kein Geld, sondern seinen Seelenfrieden, oder das, was an Wenigem noch davon übrig war. Und jetzt könnte es gut sein, diesen letzten Rest mit einer hochmütigen, streitbaren Frau verbringen zu müssen. Einer hochmütigen, streitbaren Frau, die nicht geküsst, sondern nur geschwängert werden wollte. Großer Gott, was hatte er getan?
Heute Abend sollten von seiner weitläufigen Familie – oder was immer auch Pamela und Lord Nash davon zusammenbekommen hatten – Trinksprüche auf sie ausgebracht und Glückwünsche ausgesprochen werden. Man erwartete von ihnen, dass sie einander anlächelten, vielleicht sogar miteinander tanzten. Dass sie glücklich aussahen und stolz. Aber er war nichts von alldem, und er bezweifelte ernsthaft, dass Mademoiselle Marchand es war. Stattdessen würde sie ihn den ganzen Abend durchbohrend ansehen und von ihm erwarten, dass er um ihre Gunst und ihre Vergebung schmeichelte. Nun, zum Teufel damit. Je eher sie wusste, was sie heiratete, umso leichter würde ihr Leben sein. Vielleicht würde sie doch noch einen Rückzieher machen und diese schlecht durchdachte Angelegenheit platzen lassen.
Vielleicht brauchte er jetzt doch einen Drink? Rothewell schaute auf. Die Uhr auf dem Kamin würde gleich die volle Stunde schlagen. Jetzt würde er zu spät kommen. Verdammt. Er würde zu spät zu seinem Verlobungsdinner kommen.
Aber natürlich würde niemand darüber überrascht sein.
In der Park Lane reichte an diesem Abend die Reihe der eleganten Kutschen von Lord Nashs Portal bis zur Upper Brook Street. Camille saß Lord und Lady Sharpe gegenüber in deren eleganter Barouche, obwohl es nur ein kurzer Weg bis zur Park Lane war.
»Wir werden auf unsere Kleidersäume achtgeben müssen«, hatte Lady Sharpe beim Frühstück nervös gesagt. »Noch vor dem Abend wird es Regen geben, denkt an meine Worte.«
Camille verrenkte sich den Hals, um zu dem Wenigen hinaufzusehen, das sie vom Himmel sehen konnte. Lady Sharpe, fürchtete sie, würde recht behalten. Deshalb hatte sie sich als Vorsichtsmaßnahme für eines ihrer dunkleren Kleider entschieden, ein dunkelgrünes Satinkleid, das ihrer Mutter gehört hatte. Ohne Geld für eine neue Garderobe hatte Camille jene Dinge ihrer Mutter behalten, die noch modisch und zumindest einigermaßen züchtig waren. Sie hatte die Kleider um einen Zoll gekürzt, und das war es gewesen. Das grüne Kleid war gewagt, Lady Sharpe hatte das auch so gesehen, aber in Anbetracht von Camilles Alter durchaus noch als schicklich erachtet.
Camille strich nervös ihre Röcke glatt und wartete darauf, aussteigen zu können. Sie empfand eine fast beunruhigende Vorfreude, Lord Rothewell wiederzusehen. Sie schuldete ihm vielleicht eine Entschuldigung – aber er schuldete ihr eine Erklärung.
Gewiss, sie konnte ihn nicht davon abhalten, sich eine Geliebte zu halten. Aber sie wollte nicht noch einmal erleben, dass diese Katze ihr ins Gesicht fauchte und spuckte. Und je eher Rothewell das wusste, umso glatter würde das Leben für sie beide ablaufen.
Während sie beobachtete, wie die Kutschen langsam vorrückten, sagte Camille
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