Bianca Arztroman Band 0011
eher dafür, eine Flasche Champagner zu köpfen.”
“In letzter Zeit haben in dieser Praxis mehr Champagnerkorken geknallt als irgendwo sonst in diesem Lande”, erwiderte Abbie. “Eine Hochzeit, zwei Verlobungen, ein Baby unterwegs … Und nun der Computer. Sollten wir damit nicht eine Agentur für Lebensfreude gründen?”
Alle lachten, als Abbie die Tür öffnete, um sich endlich auf den Weg zu machen. “Ihr könnt ja darüber nachdenken”, sagte sie noch. “Ich fände es eine gute Idee, wenn wir einen offenen Abend veranstalteten, um den Leuten zu zeigen, was ein Computer alles kann. Und jetzt verschwinde ich wirklich.”
Auf dem Weg zu ihrem Wagen lachte sie immer noch. Es war Ende Oktober und ein windiger Tag. Graue Wolken verdeckten den Himmel über den Bergen, und Regen war angesagt. Aber noch war es trocken, und Abbie atmete tief die würzige Herbstluft ein. Nach ihrer Scheidung war sie nach Yewdale zurückgekehrt, und diesen Entschluss hatte sie noch keine Minute bereut. Hier hatte sie einen Job gefunden, den sie liebte, und Menschen, die nett zu ihr waren. Das hatte ihr über ihren Herzenskummer hinweggeholfen.
“Warte einen Augenblick, Abbie!”
Sie blickte sich um und sah Elizabeth Allen auf sich zukommen. “Ich habe schon eine endlose Liste von Patienten, die ich besuchen soll. Ich hoffe, du hast nicht noch weitere Aufträge für mich.”
“Ich weiß ja, dass du gerne arbeitest”, antwortete Elizabeth. Sie war die dritte Partnerin in der Praxis und mit Abbie eng befreundet. “Es handelt sich nur um einen ganz kurzen Besuch. Meinst du, dass du ihn noch unterbringen kannst?”
“Ich denke schon.” Seufzend setzte sich Abbie in ihr Auto. “Wen soll ich denn noch aufsuchen?”
“Major Delaney. Er hatte einen extrem hohen Blutdruck, als ich letzte Woche bei ihm war, deswegen habe ich ihm ein stärkeres Mittel verschrieben als das übliche. Es wäre nett, wenn du nach ihm sehen würdest, damit ich beruhigt bin.”
“In letzter Zeit hatte er sehr unter Stress gestanden, und das hat ihm wahrscheinlich zugesetzt”, sagte Abbie.
“Kein Wunder”, erwiderte Elizabeth. “Es war ja auch ein harter Schlag für ihn, als die Sache mit seinem Sohn passierte. Nick ist dreißig und sitzt im Rollstuhl. Nicht nur für ihn, für die ganze Familie ist das eine schwere Last.”
“Er ist dreiunddreißig”, verbesserte sie Abbie errötend.
“Ja, richtig. Ich hatte ganz vergessen, dass ihr ungefähr gleichaltrig und fast zusammen aufgewachsen seid. Deine Mutter ist Haushälterin bei den Delaneys gewesen, nicht wahr?”
“Das stimmt. Aber Nick war die meiste Zeit im Internat, und wir haben uns nur selten gesehen.” Es fiel ihr immer noch schwer, über Nick Delaney zu sprechen.
“Ich muss gehen”, sagte Elizabeth, als James sie ans Telefon rief. “Ich sehe dich später, und wenn du Nick siehst, bitte grüße ihn von mir.”
“Ist er denn zu Hause?”, fragte Abbie überrascht.
“Wusstest du das nicht? Er ist schon vor über einer Woche aus dem Krankenhaus entlassen worden. Sicher wird er sich freuen, dich zu sehen, Abbie. In einer solchen Situation braucht man Freunde, nicht wahr?”
Elizabeth war verschwunden, ehe Abbie etwas darauf antworten konnte. Aber was hätte sie auch sagen sollen? Sie ließ den Motor an und machte sich auf den Weg. Zu einigen ihrer Patienten musste sie weit fahren. Aber sie dachte weniger daran, wie sie ihr Programm schaffen wollte, als an die Unterhaltung, die sie soeben mit Elizabeth geführt hatte.
Nick Delaney war also zu Hause. Sie hatte nie an die Möglichkeit gedacht, dass er nach Yewdale zurückkehren würde, und sie wusste nicht, wie sie mit dieser Tatsache umgehen sollte. Nicht, dass es ihr viel ausmachen würde, immerhin waren sie früher einmal gute Freunde gewesen. Aber dann hatte ihr Nick eines Tages klipp und klar erklärt, dass sie keinen Platz in seinem Leben hätte.
Abbie war so sehr mit ihren Erinnerungen beschäftigt, dass sie gar nicht auf den Weg geachtet hatte. Anstatt mit einem Hausbesuch auf einer abgelegenen Farm zu beginnen, wie sie es vorgehabt hatte, befand sie sich plötzlich auf dem Weg zu den Delaneys. Auch gut, dachte sie, dann habe ich es hinter mir und mache die anderen Besuche später.
Schon nach wenigen Minuten erreichte sie die Auffahrt zu der prachtvollen Villa, die in einem parkartigen Gelände am Rande der Stadt lag. Vor dem Eingangsportal hielt sie und blieb einen Moment im Wagen sitzen. Wehmütig dachte sie an
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