Bianca Arztroman Band 0011
plötzlich hatte er den unverständlichen Wunsch, einmal mit dabei zu sein! Er hatte keine Ahnung, woher dieser Wunsch kam! Er war weder Hobby-Koch, noch schwärmte er für Küchenarbeiten! Er aß, was gerade im Kühlschrank war oder ging ins Pub um die Ecke. Nein, es musste mehr dahinterstecken als das Zubereiten der Speisen …
“Und warum sind Sie gegen die Verlegung von Patienten in Spezialklinken?”, unterbrach Anna seine Gedanken und griff ein Thema auf, über das sie sich heute schon während den Autofahrten unterhalten hatten.
Er schüttelte den Kopf. “Ich bin natürlich nicht grundsätzlich dagegen. Leute mit Wirbelsäulenverletzungen oder schweren Verbrennungen gehören in Fachkliniken, auch wenn sie weit entfernt sind und der Transport nur per Hubschrauber machbar ist. Aber ich sehe auch die Nachteile einer Verlegung. Der Patient, der meistens schwer verletzt ist, wird von seiner Familie getrennt. Zwar ist er medizinisch in den besten Händen, aber was ist mit seiner Psyche? Er ist allein! Die Menschen, die ihm nahe stehen, die ihm Mut machen, die ihm vertraut sind, fehlen! Er ist einsam. Vielleicht fühlt er sich verlassen oder gar abgeschoben! Vielleicht entwickelt er eine Depression und hat gar keine Kraft mehr, für seine Genesung zu kämpfen! Auch für die Daheimgebliebenen wird es kritisch. Wenn jemand den Verletzten begleitet und bei ihm bleibt, dann fehlt diese Person zu Hause! Es leiden also alle Betroffenen! Das ist nicht so schlimm, wenn der Patient an Ort und Stelle behandelt werden kann.” Er lächelte. “Das sind meine Argumente.”
Anna nickte. “Es sind gute Argumente”, sagte sie, streckte die Hand über den Tisch und drückte seine Hand.
Eine mütterliche Geste! Zustimmend. Beruhigend. Platonisch. Das hätte sie ebenso gut bei Josh oder Jackie tun können.
Platonisch hin oder her, bei ihm hatte sie das Gegenteil bewirkt! Ihre kühle weiche Hand hatte ihn erhitzt und erregt. Er spürte eine starke Anspannung. Vergeblich suchte er nach einem unverfänglichen Thema! Ihm fiel nichts ein …
“Ich sollte gehen”, brachte er schließlich heraus, und er wusste verdammt gut, dass es der beste Satz des Abends gewesen war, wollte er sich nicht komplett zum Narren machen! Er hatte nämlich das dringende Bedürfnis, sie auch zu berühren. Ihre Haut sah so weiß, so kühl, so samtig aus, hier draußen im Dämmerlicht der Veranda. Ob sie sich auch so anfühlte? Kühl, glatt wie eine Marmorstatue oder warm und samtig wie die Haut einer Frau aus Fleisch und Blut?
“Noch einen Kaffee?”, fragte sie lächelnd und erhob sich.
Ja! Nein! Ja … überlegte er, unfähig, eine klare Antwort auf eine so klare, einfache Frage zu geben.
Jackie unterbrach sein hektisches Grübeln. Sie rief nach Anna. “Kannst du mal kommen?”
“Gleich”, rief Anna zurück und wandte sich an Pete. “Wahrscheinlich eine Mathematikaufgabe”, erklärte sie lachend. “Nicht eben Jackies Stärke.”
Er stand auf, dankte für das Essen, entschuldigte sich für sein langes Bleiben, sah auf die Uhr, machte ein gespielt erschrecktes Gesicht und murmelte irgendetwas von dringenden Telefongesprächen und einem Termin! Nichts davon stimmte!
“Finden Sie allein hinaus, oder soll ich Sie zum Auto begleiten?”, fragte sie lächelnd.
“Nein, nein. Ich finde mich zurecht. Es ist noch nicht stockfinster! Der Mond scheint! Gute Nacht!”
Er lief die Treppe hinunter zu seinem Wagen. Ja, der Mond schien hell. In ein oder zwei Nächten war Vollmond. Gut, dass sie nicht mitgekommen war. Er stellte sich das Mondlicht auf ihrem roten Haar, ihrer weißen Haut vor. Ihm wurde noch heißer! Er warf das Jackett auf den Rücksitz, setzte sich ans Steuer und fuhr sofort los.
Und wieder verbrachte er eine schlaflose Nacht, stand früh auf und fuhr in die Klinik. Anna war schon da!
“Sie sind schlimmer als ich”, schimpfte er. “Warum kommen Sie vor dem offiziellen Arbeitsbeginn?”
“Papierkram”, erklärte sie achselzuckend. “Ich mag keine unvollständigen Akten. Patienteninfos sollten komplett sein, damit jeder, der sie einsehen muss, Bescheid weiß. Gestern Abend bin ich nicht mehr dazu gekommen.”
Er grinste. “Mir ging es genau so. Gegen Schluss wurde es noch einmal so richtig hektisch, nicht wahr?” Er freute sich, dass sie so engagiert bei der Sache war, aber noch mehr freute er sich, sie wieder zu sehen!
Sie warf ihm einen scheuen Blick zu. “Übrigens habe ich eine Idee”, sagte sie zögernd. “Sie kam
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