Bianca Arztroman Band 0031
Zeit. Mir ist jetzt nach einer weiteren Tasse Kaffee.”
Kate hatte nichts dagegen. Sie lehnte sich zurück und genoss den Ausblick. Sie mochte die Stadt gern, die alten Häuser mit ihren bunten Fassaden, die engen Gässchen. Ihr gefielen die Einheimischen mit ihren Trachten, selbst der eigenartige Dialekt der Leute, von dem sie kein Wort verstand. Es gab hier kaum etwas, das ihr nicht gefiel.
“Entschuldigung, Ethan, hatten Sie etwas gesagt?”, schreckte sie aus ihren Gedanken auf, als sie bemerkte, dass Ethan sie erwartungsvoll anblickte.
“Kein Wort”, schmunzelte er amüsiert. “Ich glaube, Sie waren eben ganz weit weg, stimmt’s? Woran haben Sie gedacht?”
“An all das hier”, antwortete Kate und zeigte in die Runde. “Es kommt mir vor, als wäre ich im Kino. Ich kann gar nicht fassen, dass das alles wirklich ist.”
“Sind Sie denn früher nie ins Ausland gefahren?”
“Simon und ich hatten es immer mal vor, aber …” Kate verstummte.
Ethan wartete ab, bis der Kellner den Kaffee serviert hatte. Dann sagte er: “Erzählen Sie mir doch etwas von ihm.”
“Von wem?”
“Von Simon. Was für ein Mensch war er? Was für ein Leben haben Sie beide geführt?”
“Warten Sie mal … ich habe ein Foto von ihm.” Kate kramte in ihrer Handtasche. Dann reichte sie ihm die Fotografie herüber.
Ethan betrachtete sie einen Augenblick aufmerksam, bevor er sie ihr zurückgab. “Sieht nett aus.”
Ein verträumtes Lächeln umspielte Kates Lippen. “Das war er auch. Wir haben uns im Birnham Hospital kennengelernt. Wir waren beide in der Ausbildung. Ich glaube, es war so etwas wie Liebe auf den ersten Blick. Mit dem Heiraten haben wir gewartet, bis wir unsere Abschlüsse hatten. Da war ich zweiundzwanzig.”
“Dann waren Sie fünf Jahre verheiratet?”
“Stimmt”, bestätigte Kate und sah ihn verwundert an.
“Es war nicht schwierig: In Ihren Papieren steht, dass Sie neunundzwanzig sind. Sie selbst haben mir erzählt, dass Simon vor zwei Jahren gestorben ist.” Kate staunte noch immer darüber, dass er sich das alles gemerkt hatte. “Er starb an Leukämie, sagten Sie?”, fuhr Ethan fort.
“An chronischer myeloischer Leukämie, um genau zu sein”, präzisierte Kate.
Ethan hob erstaunt die Augenbrauen. “Recht ungewöhnlich für einen Mann von … wie viel Jahren? Sechsundzwanzig?”
“Siebenundzwanzig.” Kates braune Augen umwölkten sich ein wenig. “Anfangs klagte er nur darüber, dass er sich müde und schlapp fühlte. Ich war zuerst sogar böse auf ihn, weil ich dachte, er wolle sich bloß vor der Hausarbeit drücken.”
“Und wann stellten Sie fest, dass er krank war?”, fragte Ethan.
“Ich hab es nicht festgestellt”, erklärte Kate bitter. “Sicher … ich bemerkte, dass er ganz allmählich Gewicht verlor. Aber dabei habe ich mir zunächst nichts gedacht. Simon war immer etwas eitel, was seine Figur anging, und achtete streng darauf, dass er sich fit hielt und kein Gramm Fett ansetzte. Dann aber bekam er eine Infektion nach der anderen, und es dauerte immer länger, bis er sie wieder loswurde. Schließlich blieb ihm nichts anderes übrig, als zum Arzt zu gehen und sich untersuchen zu lassen.”
“Wurde seine Leukämie damals schon diagnostiziert?”
Kate nickte. “Danach haben sie alles mit ihm durchprobiert: Stärkung des Immunsystems, Chemotherapie, Strahlentherapie. Unsere letzte Hoffnung war eine Knochenmarkstransplantation. Aber es fand sich kein passender Spender.”
“Kate, ich glaube, Sie müssen aufhören, sich schuldig zu fühlen”, sagte Ethan sanft. “Wer konnte von Ihnen verlangen, dass Sie die Symptome richtig deuten? Gerade im Anfangsstadium sind sie so vage: Erschöpfung, Nachtschweiß, Gewichtsverlust … das kann immer alles Mögliche bedeuten.”
“Aber ich bin ausgebildete Krankenschwester”, entgegnete Kate kleinlaut. “Wenn ich diese Dinge ernster genommen hätte …”
“Und er? War er nicht auch ausgebildeter Krankenpfleger?”, warf Ethan ein.
“Ja, aber Männer neigen nun einmal dazu, ihre Krankheiten zu verdrängen. Wenn ich aufmerksamer gewesen wäre, anstatt nur mit ihm zu meckern, wäre er vielleicht noch am Leben.”
“Woher wollen Sie das wissen?”, widersprach er bestimmt. “Das kann keiner sagen. Für seinen Körper und seine Gesundheit ist jeder selbst verantwortlich.”
“Ja, vielleicht”, murmelte sie. Dann raffte sie sich auf. Bevor er wieder ansetzen konnte, etwas zu sagen, erklärte sie: “Wir wollen lieber
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