Bianca Arztroman Band 0031
über etwas anderes reden. Sie haben Urlaub, und ich glaube nicht, dass das das richtige Thema dafür ist.”
Ethan hätte ihr gern erneut widersprochen und sie weitererzählen lassen, ihr am liebsten gestanden, wie sehr er sich wünschte, alles über sie zu erfahren, wie schön und begehrenswert er sie fand. Aber das kam natürlich nicht in Frage. Außerdem sagte ihm ihr Gesichtsausdruck, dass ihre Gedanken schon wieder ganz woanders waren.
“Kate …”
Sie sah an ihm vorbei, als hörte sie ihn gar nicht.
“Kate, was ist los?” Ethan bemerkte, dass sie angespannt etwas zu beobachten schien. Er drehte sich um und spähte in die Richtung, in die sie starrte.
“Sehen Sie sich mal den Jungen an. Da, an dem Tisch unter dem Baum. Das sieht nicht gut aus! … Mein Gott!”
Im selben Augenblick sprang Ethan auf, ohne auf den Kellner zu achten, der gerade mit einem vollen Tablett vorbeikam, das krachend zu Boden fiel. Zusammen mit Kate war er in zwei Sätzen bei dem Kind. Wortlos nahm er den Jungen aus den Armen seiner hilflos dreinblickenden Mutter und legte ihn flach auf den Boden.
Es war auch für einen Laien nicht zu übersehen, dass das Kind drauf und dran war, zu ersticken. Sein Gesicht lief blau an und es verdrehte die Augen. Ethan legte ihm seine Hände zwischen Nabel und Brustkorb und drückte sie kurz und kräftig herunter.
“Es rührt sich nichts”, sagte er leise und versuchte er ein zweites und ein drittes Mal. “Was immer er verschluckt hat, steckt in seiner Luftröhre fest. Kate, ich brauche ein scharfes Messer und irgendetwas, was als Tubus zu gebrauchen ist.”
Kate sah Ethan eine Sekunde lang ungläubig an. Ein Luftröhrenschnitt mitten auf offener Straße. Aber ein weiterer Blick auf den Jungen überzeugte sie davon, dass Ethan Recht hatte. Es gab keine andere Wahl. Es war die einzige Chance, die dem Kind noch blieb.
Sie sah sich auf den umstehenden Tischen um, ergriff hastig ein Steakmesser und einen Plastikkugelschreiber und reichte Ethan beides. “Wird das gehen?”
Er antwortete nicht. Er schraubte den Kugelschreiber auseinander und spülte das längere Stück des Gehäuses und das Messer mit Mineralwasser aus einer der Flaschen vom Nebentisch ab. Dann legte er mit sicherer Hand einen Einschnitt zwei Zentimeter unterhalb des Kehlkopfknorpels und führte die Plastikröhre des Kugelschreibers bis in die Luftröhre ein. Der Effekt war verblüffend. Die Atmung des Kindes kehrte zurück und wurde regelmäßiger. Auch die Gesichtsfarbe normalisierte sich innerhalb weniger Augenblicke.
“Ich hoffe, es hat jemand inzwischen einen Notarztwagen gerufen”, sagte Ethan laut in die Menge, die ihn, Kate und den Jungen neugierig umstand, und durch die ein hörbares Aufatmen ging, als sich die Wangen des Jungen wieder rosig färbten. “Das hier hält nicht ewig.”
Sekunden später hörte man schon die Sirene des Rettungswagens. Bald darauf waren der Junge und seine in Tränen aufgelöste Mutter auf dem Weg ins Krankenhaus.
“Das war eine Meisterleistung”, bemerkte Kate, als Ethan und sie zu ihrem Tisch zurückgingen, nachdem er die Glückwünsche und das Schulterklopfen der Umstehenden unwillig abgewehrt hatte.
“Unsinn! Sie hätten genau dasselbe getan”, widersprach Ethan. Kate schüttelte den Kopf. Ethan ließ sich nicht beirren. “Wenn Sie vor der Wahl gestanden hätten, zuzusehen, wie das Kind erstickt, oder etwas zu tun, hätten Sie’s getan.”
“Na schön, vielleicht”, lenkte Kate ein. “Aber nachdem ich jetzt gesehen habe, was Sie mit einem Steakmesser und einem Kugelschreiber zuwegebringen, würde ich Sie doch gerne mal in einem voll ausgerüsteten Operationssaal sehen.”
Ethan sah sie von der Seite an. “Meine Schwester hat mit Ihnen geredet, stimmt’s?”
“Nein.” Kate errötete leicht, als ihre Blicke sich trafen. “Doch, ich geb es zu. Aber ich habe das jetzt bestimmt nicht gesagt, um Sie zu überreden, wieder zu praktizieren.”
“Das schaffen Sie sowieso nicht.” Ethan sah zur Uhr. “Es ist schon halb zwölf. Wir müssen uns um Jodies Geburtstagsgeschenk kümmern, ehe sie vom Tennis kommt”, sagte er und stand auf.
“Haben Sie schon eine Idee?”, fragte Kate in beiläufigem Ton. Sie ärgerte sich noch immer ein wenig darüber, dass er glaubte, ihr Lob für seine spontane Rettungstat sei nur Mittel zum Zweck gewesen.
“Ich dachte an etwas zum Anziehen. Ein Kleid vielleicht, in dem sie abends ausgehen kann, wenn wir wieder zu Hause sind.”
Kate
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