Bianca Arztroman Band 0031
aber sie akzeptierten es ohne zu klagen. Sie waren ebenso daran gewöhnt wie die tapsigen Elche. Suzannah selber hatte das Gefühl, nie wieder warm zu werden. Und das lag nicht allein an der Jahreszeit.
Sie hatte England verlassen, um sich neu zu orientieren. An einem milden Herbsttag hatte sie die Antwort gefunden. Sie war einem blonden Wikinger mit unbeschwertem Charme begegnet und wusste, dass sich ihr Leben für immer verändern würde.
So sicher, wie die Nacht dem Tag folgt, verliebte sie sich in Lafe. Dann hatte sie den Fehler begangen, mit ihm gemeinsam in der Wildnis von Neufundland wieder als Ärztin zu praktizieren.
Sie würde nach England zurückgehen. Die Chance, Lafe in St. Anthony zu begegnen, war zu groß. Die Gratwanderung, mit ihm den richtigen, unverbindlichen Umgangston zu treffen, war zu viel für sie. Abgesehen von seinem Ärger war Lafe jetzt auch sehr reserviert. Und das war für sie am schwersten zu ertragen.
An einem kalten Morgen im November kam eine Gruppe von Jugendlichen in die Klinik. Sie waren in der Nähe Ski gefahren, und einer von ihnen war dabei gegen einen Baum geprallt. Suzannah diagnostizierte Platzwunden im Gesicht und möglicherweise Frakturen am Handgelenk. Außerdem stand der Patient unter Schock.
Der Anführer dieser Gruppe, ein extrem selbstbewusster Student, schien die Aufmerksamkeit gerne auf sich selber zu lenken, anstatt sich für den Verwundeten zu interessieren.
“Hi, Doktor”, sagte er. “Der alte Mikey hat sich gegen einen Baum gesetzt. Wir haben alle einen Schluck Wein zu viel gehabt, fürchte ich.” Während sie den Verletzten auf die Bank legten, sah er sich um. “Ein gemütliches Plätzchen habt ihr hier. Wenn ich gewusst hätte, was für eine hübsche Puppe hier Dienst hat, hätte ich mir eigenhändig etwas angetan.”
“Gehen Sie bitte alle zurück ins Wartezimmer”, sagte Suzannah unbeeindruckt, als sie sich über den Patienten beugte. “Dieser junge Mann steht unter Schock und ist verletzt.”
Die Hände und das Handgelenk waren nach hinten gedrückt. Offenbar war er mit erhobenen Händen gegen den Baum gefahren, sodass dort ein Großteil der Wucht abgefangen wurde.
Der vorlaute junge Mann stand erneut im Türrahmen. “Gibt es eine Möglichkeit, irgendwo einen Kaffee zu bekommen?”
Suzannah schüttelte wortlos den Kopf. Sie legte die Beine des Verletzten hoch und deckte ihn zu, um den Wärmeverlust zu verringern. Sie bemerkte, dass sein Atem nach Wein roch. Während sie den Krankenwagen rief, sah sie, dass sie erneut belästigt wurde.
“Wenn Sie nicht das Sprechzimmer verlassen, solange ich Ihren Freund behandle, werde ich Ihnen Hausverbot erteilen müssen”, drohte sie.
“Und wer wirft mich hinaus?”, fragte er unverschämt und fasste ihr ins Haar.
“Ich”, erklärte Lafe, der in der Tür stand. “Dein Freund ist verletzt, und Dr. Harding bemüht sich, ihm zu helfen. Geh also augenblicklich zu deinen Freunden zurück. Und bleib dort.”
“In Ordnung”, schnaubte er. “Kein Grund, gleich wütend zu werden.”
Nachdem er gegangen war, kam Lafe zu ihr und legte den Arm um sie. “Bist du in Ordnung?”, erkundigte er sich, sein Gesicht nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt.
Suzannah nickte. “Ja. Er war nur lästig. Das ist alles. Ich bin schon mit Schlimmerem fertig geworden.”
Sie war sich seiner Nähe so bewusst, dass sie kaum atmen konnte. Zum ersten Mal seit Wochen berührte er sie wieder. Suzannah fühlte sich vor Überraschung wie im Rausch.
Aber warum hatte sie nur wieder die Vergangenheit ins Spiel gebracht? Um keinen Preis wollte sie erneut mit ihm darüber diskutieren. Und als sie ihren Blick von seinem losriss, wusste sie, dass sich nichts geändert hatte.
Es war nur eine kurze kollegiale Geste gewesen. Fast wünschte sich Suzannah, dass sie sich tatsächlich in Gefahr befunden hätte. Dann wäre sie in größerem Maße das Objekt seiner Besorgnis gewesen.
Er schob sie von sich und beugte sich über den Patienten. “Ist der Krankenwagen unterwegs?”, fragte er.
Sie nickte. “Es wird schwer werden, mit beiden Händen in Gips zurechtzukommen.”
Plötzlich blickte er auf. “Wenn der junge Mann hier versorgt ist, würde ich gerne mit dir sprechen.”
“Worüber?”, fragte sie hastig.
“Später”, antwortete Lafe, da Linda zu ihnen kam, um sich der Wunden im Gesicht des Patienten anzunehmen.
Es war erst am Abend Zeit für ein Gespräch. Shirley und Suzannah räumten gerade den Tisch ab, als Lafe
Weitere Kostenlose Bücher