Bianca Exklusiv 0189
Minuten, und danach drückte Conrad Quentin sofort auf die Ruftaste, um Sephy zu sich zu bitten.
Als sie die Tür öffnete, saß er mit völlig versteinerter Miene in seinem Ledersessel und sagte: „Sie hat Krebs. Das arme alte Mädchen hat Krebs.“
„O nein!“, rief Sephy aufrichtig betroffen und fügte hilflos hinzu: „Es tut mir so leid.“
Conrad Quentin war sichtlich erschüttert und offenbarte damit einen Wesenszug, den Sephy ihm gar nicht zugetraut hätte. „Die Ärzte glauben, dass eine Operation Miss Watkins retten kann und sie mit einem bisschen Glück in einigen Monaten wiederhergestellt ist.“ Er atmete tief ein, bevor er mit der Faust so heftig auf den Schreibtisch hieb, dass Sephy, die mittlerweile näher gekommen war, erschrocken zurückwich.
„Diese unvernünftige, dumme Person!“, presste er dann zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Warum hat sie denn nicht früher etwas gesagt? Die Ärztin meinte, dass sie schon seit Wochen höllische Schmerzen gehabt haben muss.“
„Vielleicht dachte Madge, es wäre eine Virusinfektion“,mutmaßte Sephy. „Niemand denkt gleich an das Schlimmste.“
„Oh bitte, verschonen Sie mich mit Ihrer weiblichen Logik!“, erwiderte er da aufgebracht, erhob sich und ging zum Fenster. „Miss Watkins ist zwar Mitglied in einer Krankenversicherung, aber ich will, dass sie im besten Zimmer untergebracht wird und es ihr auch sonst an nichts fehlt. Sorgen Sie dafür, Seraphina! Alle zusätzlichen Kosten werde ich aus eigener Tasche bestreiten. Und lassen Sie ihr einen Blumenstrauß, Pralinen und Zeitschriften schicken. Gibt es sonst noch etwas, das ich tun könnte? Sie als Frau können das sicher besser beurteilen.“ Urplötzlich, wie es so seine Art war, hatte er sich Sephy wieder zugewandt.
Sephy, die immer noch mit seiner rüden Zurechtweisung bezüglich ihrer angeblich unzureichenden Logik kämpfte, sagte einfach nur: „Wie wär’s mit einem Besuch? Miss Watkins fühlt sich heute bestimmt ziemlich allein und fürchtet sich vor der Operation. Und soviel ich weiß, hat sie keinen großen Freundeskreis … Wie auch? Bei den langen Arbeitstagen in der Chefetage.“
Der letzte Satz war ihr einfach so herausgerutscht, und Mr. Quentin biss erneut die Zähne zusammen, und er kniff die Augen zusammen, bevor er seufzend erklärte: „Wahrscheinlich ist sie im Augenblick viel zu erschöpft, um Besuch zu empfangen. Ich muss ja nicht unbedingt heute Abend zu ihr ins Krankenhaus, oder?“
Sephy dachte an die zumindest äußerlich betörende Caroline de Menthe, die in ihrer Luxuswohnung auf Mr. Quentin wartete, und lächelte süßlich. „Das liegt ganz bei Ihnen. Aber in solch einer Situation kann jeder ein bisschen Rückendeckung gebrauchen.“
Währenddessen hatte Sephy die unterschriebenen Briefe aufgenommen und fast ein schlechtes Gewissen, dass sie ihren Chef so harsch angegangen war, als er nun erklärte: „Übrigens, Seraphina, das war gute Arbeit. Ich vertraue darauf, dass Sie nichts dagegen haben, Madge die nächsten Wochen zu vertreten.“
„Natürlich nicht“, log Sephy, „wenn Sie der Meinung sind, dass ich den Anforderungen genüge.“
Er nickte ernst.
2. KAPITEL
Quentin Dynamics beanspruchte ein elegantes, vierstöckiges Gebäude in Islington, und Sephys neues Apartment lag nur zehn Gehminuten davon entfernt. Das war wundervoll, denn nun brauchte sie sich nicht mehr durch die Londoner U-Bahn und die überfüllten Vorortzüge zu quälen, um nach Hause nach Twickenham zu kommen.
Es war ein lauer Septemberabend, und die Luft roch immer noch nach Sommer, während Sephy durch die Londoner Straßen schlenderte. Überall vor den Pubs und Cafés standen noch Stühle und Tische, und die Menschen genossen bei einem erfrischenden Getränk den Feierabend und das herrliche Spätsommerwetter.
Alle schienen entspannt und zufrieden, nun, da der Arbeitstag vorüber war. Aber Sephy hatte irgendwie ein unangenehmes Gefühl – trotz der lauen Brise. Sie hatte sich schon seit Langem nicht mehr so müde, erledigt und unsicher gefühlt.
Aber das ist ja auch nicht verwunderlich, sagte sie sich immer wieder. Sie hatte immer schon hart gearbeitet – als Mr. Harpers Sekretärin war sie gewohnt, auf sich allein gestellt zu sein und Eigeninitiative zu ergreifen. Sie kam auch mit dem Chaos im Kundendienst klar, in dem eine Krise die andere jagte. Aber mit Conrad Quentin persönlich zusammenzuarbeiten war etwas ganz anderes. Der Mann war unmenschlich – wie
Weitere Kostenlose Bücher