Bianca Exklusiv 0189
stehen erst wenig Möbel in den Zimmern, es gibt keine Vorhänge. Jack sagt, er sei immer noch auf der Suche nach einem guten Innendekorateur. Sam meinte, er solle sich lieber zuerst eine Frau suchen. Sonst würde die hinterher wieder alles umändern wollen. Ich habe dich vorgeschlagen“, beendete Harry seine Ansprache mit Unschuldsmiene.
„Als Designerin, hoffe ich doch“, entgegnete sie trocken.
„Was sonst?“
„Ach, egal.“
„Als seine Frau, meinst du?“ Er überlegte kurz. „Warum nicht? Du könntest ihm gefallen. Und so alt bist du ja auch noch gar nicht, Mom. Manchmal siehst du auch recht hübsch aus. Wenn du netter zu ihm wärst …“
„Danke“, unterbrach Esme ihn. „Aber ich kümmere mich lieber selbst um mein Liebesleben.“
Harry schnitt ein Gesicht. „Ich habe nur versucht zu helfen. Er ist sehr reich, weißt du.“
„O ja, das ist natürlich etwas anderes. Ich soll also lieber schnell zugreifen, bevor es eine andere Goldgräberin tut?“
„Sehr witzig“, schmollte er. „Er ist doch viel besser als dieser langweilige Charles!“
„Harry!“, rief sie entsetzt. „Du hast doch nicht etwa mit Jack, ich meine mit Mr. Doyle, über Charles gesprochen?“
Einige Sekunden verstrichen. Harry wurde rot und sagte dann: „Warum sollte ich? Ich muss jetzt los, habe noch eine Rechtschreibarbeit zu machen.“ Dann ging er hinauf in sein Zimmer.
Esme war versucht, ihn zurückzurufen. Doch was würde das jetzt noch ändern?
Trotzdem machte sie sich Sorgen darüber, was Harry wohl sonst noch so erzählt haben könnte. Zum Beispiel, dass er nicht neun, sondern zehn Jahre alt war, und dass er nicht einmal den Namen seines Vaters kannte.
Sie würde Harry verbieten müssen, zum Gutshaus zu gehen. Damit wartete sie aber, bis sie ihn zu Bett brachte. Als sie ihn zudeckte, begann sie: „Harry, wegen Mr. Doyle …“
„Jack“, korrigierte er sie. „Er hat gesagt, ich soll ihn Jack nennen.“
„Okay. Jack. Ich weiß, du magst ihn …“
„Klar, wer mag ihn nicht? Es ist nicht nur wegen seines coolen Autos, Mom. Er ist so lustig, und er ist megaklug!“
„Da bin ich sicher. Vielleicht ist es aber besser, wenn du nicht wieder zum Gutshaus hinübergehst.“
„Warum?“
Esme fiel keine gescheite Antwort ein.
Harry beantwortete sich die Frage selbst. „Nur weil du ihn nicht magst.“
„Ich … nein.“ Sie wünschte, es wäre so einfach. „Darum geht es nicht. Ich denke eher an sein Privatleben. Du musst es respektieren.“
„Ist es okay, wenn er mich einlädt?“
„Ich … ja, wahrscheinlich.“ Sie brachte es nicht fertig, ihm den Kontakt ganz zu verbieten.
Auch als Jack sie später anrief, konnte sie das nicht.
Er kam gleich zur Sache: „Ich dachte, wir müssten uns einmal über Harry unterhalten. Hast du ihm erlaubt, zu uns zu kommen?“
„Ja“, antwortete sie. „Aber wenn er Probleme macht …“
„Überhaupt nicht“, versicherte er. „Es hat Eliot großen Spaß gemacht, mit ihm zu spielen. Sag ihm, er kann kommen, wann immer er will.“ Esme stöhnte insgeheim auf. „Das ist sehr nett von dir“, bedankte sie sich höflich. „Doch wir werden bald ausziehen.“
„Hast du etwas Passendes gefunden?“
„Ja, möglicherweise.“
„Wenn du Hilfe brauchst beim Umzug …“
Er konnte es wohl kaum erwarten, dass sie endlich auszog! „Ich werde eine Spedition anrufen“, bemerkte sie unfreundlich.
Jack lachte kurz auf. „Du magst es, wenn das Leben schwierig ist, nicht wahr?“
„Das Leben ist schwierig“, sagte sie und beendete das Gespräch.
Am Montagmorgen wachte sie schlecht gelaunt auf. Das war nicht gut, da sie ja nachmittags den Termin mit ihren Kunden hatte.
Esme war pünktlich. Fast eine Stunde ließ Edward Claremont sie jedoch in seinem Salon warten, bis er dann endlich erschien.
Er entschuldigte sich nicht, zeigte auch kein besonderes Interesse an ihren Zeichnungen. Esme hatte ein ungutes Gefühl. Trotzdem fragte sie nach der Anzahlung. Da erklärte Edward Claremont, dass er sie, Esme, nicht mehr brauche, weil er das Haus verkaufen wolle. Er sehe nicht ein, Esme die bisherige Arbeitszeit zu bezahlen. Schließlich habe seine Frau sie beauftragt, die habe ihn jetzt aber wegen eines anderen Mannes verlassen.
Wie benommen fuhr Esme zurück. Sie dachte daran, wie viel Geld sie gerade verloren hatte, und überlegte, ob es wohl noch schlimmer kommen konnte.
Sie hatte nur noch zwei Meilen zu fahren, da begann der Motor zu stottern. Kurz darauf blieb
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