BIANCA EXKLUSIV Band 0171
an den Schreibtisch. „Darf ich Ihnen einen Rat geben? Als Anwalt?“
Er war Maudes Anwalt gewesen, und das war für Theo Grund genug, ihm zu vertrauen. „Ja.“
„Wenn Sie unbedingt nach San Diego müssen, sollten Sie versuchen, so bald wie möglich nach Hattie zurückzukehren. Maudes Haus und alles, was sich darin befindet, gehört jetzt Ihnen. Ein Vermögen dieses Umfangs muss man pflegen.“
„Aber Sie sagten doch, dass ich nichts verkaufen darf, bevor das Testament bestätigt ist.“
„Haben Sie das vor? Alles zu verkaufen?“, fragte er.
„Ich habe überhaupt nichts vor. Ich habe ja noch nicht einmal richtig verarbeitet, was ich heute erfahren habe. Und ich besitze nicht die leiseste Ahnung, was es heißt, ein Vermögen zu pflegen, wie Sie es ausdrücken.“
„Verzeihen Sie mir. Ich hätte es Ihnen erläutern sollen. Die letzten Tage waren sehr schwierig.“ Nicht nur die letzten Tage, aber das wollte er Theo Hunter nicht erklären. „Sie werden Entscheidungen treffen müssen, Theo. Zum Beispiel gehören zum Vermögen auch verbriefte Bankeinlagen, die demnächst fällig werden. Sie werden also entscheiden müssen, ob Sie das Geld kassieren oder wieder anlegen wollen.“
Theo war noch nicht überzeugt. „Ich bin sicher, derartige Entscheidungen lassen sich am Telefon besprechen.“
Jordans Stimme klang ein wenig verärgert. „Ich verstehe Sie nicht“, sagte er und beugte sich vor. „Wollen Sie das Vermögen nicht?“
Theo zögerte. Die meisten Menschen wären Jordan vermutlich längst vor Freude um den Hals gefallen, und vor wenigen Jahren hätte sie das vermutlich auch getan.
Aber Maudes Tod hatte sie schwer getroffen, und dass sie ihren plötzlichen Reichtum diesem schmerzlichen Verlust verdankte, war kein Grund zur Freude.
Theo nahm die Schlüssel und erhob sich langsam. „Ich weiß es nicht“, gestand sie. „Ich weiß nur, dass ich morgen heimfliegen muss. Vielleicht sehe ich in einigen Tagen schon klarer.“
Jordan richtete sich auf. „Soll ich Sie anrufen, oder möchten Sie sich lieber bei mir melden? Wir müssen in Verbindung bleiben.“
Sie hatte den armen Mann tatsächlich verwirrt. „Es tut mir leid, Jordan“, erwiderte sie rasch. „Ich habe das alles noch gar nicht richtig verkraftet. Rufen Sie mich an, wann immer es nötig ist. Ich werde mir jetzt Maudes Haus anschauen.“ Es würde ihr nicht leichtfallen. „Würden Sie mir erklären, wie ich es finde?“
„Sie waren noch nie in Hattie?“
„Nein.“
„Aber Sie und Maude haben sich getroffen. Sie hat mir Fotos von Ihnen gezeigt.“
„Zweimal. Als ich vierzehn war, hat meine Mutter mit mir eine Bustour in den Yellowstone Nationalpark gemacht. Maude hat dort fünf Tage mit uns verbracht. Beim zweiten Mal kam Maude für zwei Wochen nach San Diego“, erzählte Theo.
„Ich verstehe.“
Er versteht gar nichts, dachte sie. Jordan Hamilton war absolut schleierhaft, warum Maude Evans einer Frau, die sie nur zweimal gesehen hatte, ein Millionenvermögen vermacht hatte.
Nun ja, sie selbst verstand es auch nicht.
„Ich fahre Sie hin“, bot Jordan an.
„Wie weit ist es?“
„Etwa eine halbe Meile.“
Theo hängte sich die Tasche um. „Halten Sie mich nicht für undankbar, aber ich brauche etwas frische Luft.“
„Natürlich. Ich zeichne Ihnen den Weg auf. Sie werden es leicht finden.“ Er riss den Zettel vom Block und drückte ihn Theo in die Hand. „Und nehmen Sie die auch mit“, sagte er und gab ihr die Liste. „Studieren Sie sie, Theo. Irgendwann werden Sie sich an den Gedanken gewöhnen.“
„Danke.“ Ihre Blicke trafen sich, und sie lächelte matt, während sie ihm die Hand gab. „Auf Wiedersehen.“
Theo verabschiedete sich auch von Marion Roth, bevor sie hinauseilte. Vor der Tür atmete sie tief durch, warf einen Blick auf die Zeichnung und machte sich auf den Weg.
2. KAPITEL
Hattie war eine hübsche kleine Stadt. Aus Maudes Briefen wusste Theo eine ganze Menge über Hattie. Auch über einige Einwohner, aber sie war nicht sicher, ob Maude jemals Jordan Hamilton oder Colt Murdoch erwähnt hatte.
Auf dem Flug von Helena hierher hatte Theo viel vom Land gesehen. Hattie lag zwischen den Bergen und der Prärie. Sie war über große und kleine Ranches geflogen, über dichte Pinienwälder und gewaltige Flächen, auf denen kein einziger Baum wuchs. Aus der Luft wirkte das wunderschöne Land wild und ungezähmt.
Maudes blauweißes Holzhaus war klein und bescheiden. Ein weißer Zaun umschloss
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