BIANCA EXKLUSIV Band 0171
eines altehrwürdigen, aus Holz und Naturstein errichteten Hauses ein. Theos Blick fiel auf das Bronzeschild neben der Eingangstür. Jordan A. Hamilton, Rechtsanwalt.
Sie gingen hinein. Eine junge Frau saß an einem Schreibtisch, vor sich nur einen Computer, einen großen Terminkalender, eine hübsche kleine Vase mit Stiften und einen Notizblock.
Theo sah sich um. Sonst war niemand im Büro.
Die Einrichtung war in eleganten blauen und grauen Pastelltönen gehalten, und aus unsichtbaren Lautsprechern drang leise, geschmackvolle Musik. So etwas hatte Theo in Hattie, Montana, nicht erwartet. Jordan musste ein viel beschäftigter Anwalt sein, um sich ein so eindrucksvolles Büro und einen so teuren Wagen leisten zu können.
„Dies ist meine Sekretärin. Marion Roth. Theo Hunter“, machte er die beiden Frauen bekannt.
Marion stand auf und gab Theo die Hand. Theo schätzte sie auf etwa fünfundzwanzig, vier oder fünf Jahre jünger als sie selbst. Ihr Lächeln war anmutig, warmherzig, fast schüchtern, die Augen und das Haar mittelbraun. Marion Roth war eine auffallend hübsche Frau.
Theo lächelte. „Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Marion.“
„Ich auch“, erwiderte Marion leise.
„Bitte bringen Sie uns Kaffee, Marion. Hier entlang“, sagte Jordan. Theo folgte dem Anwalt über einen Korridor und fragte sich, warum seine Sekretärin so schüchtern war. Marion hatte ihr kein einziges Mal in die Augen gesehen.
Jordan führte sie in ein großes, edel eingerichtetes Büro. „Bitte nehmen Sie Platz, Theo.“
„Danke.“ Sie setzte sich in einen der beiden Sessel vor dem Schreibtisch. Marion erschien mit einem Tablett, stellte es ab und verschwand wieder.
Jordan goss den Kaffee aus einer silbernen Kanne in zwei Porzellantassen. „Milch oder Zucker?“
„Ein wenig Milch, bitte.“
Jordan reichte ihr die Tasse und setzte sich in den Ledersessel. Er nahm einen Schluck Kaffee und zog einen Hängeordner aus einer Schublade. Dann legte er ihn auf den Schreibtisch und sah Theo an. Sie lächelte zaghaft.
„Sind Sie neugierig?“, fragte er.
Theo wurde ernst. „Auf Maudes Testament? Nein, warum sollte ich. Ich weiß, dass Maude nur wenig besaß. Ich freue mich, dass sie an mich gedacht hat. Sie hat mir ab und zu hübsche Sachen geschickt, die sie selbst gestrickt, gehäkelt oder gestickt hatte. Ihre Handarbeit war … ist unglaublich schön, aber das wissen Sie sicher.“
„Und wertvoll?“
„In Geld gemessen, meinen Sie? Das weiß ich nicht.“ Theo sah den Anwalt an. „Ich bin nicht sicher, worauf Sie hinauswollen.“
Jordan beugte sich vor. „Auf mehrere Millionen Dollar.“
„Wie bitte?“
Mit ernster Miene entnahm Jordan dem Ordner einige Papiere und reichte sie Theo. „Dies ist das Verzeichnis von Maudes Vermögenswerten.“
Ungläubig nahm Theo die Blätter entgegen. „Ich verstehe nicht.“ Ihr Blick fiel auf den ersten Punkt der langen Liste. Bargeld auf Bankkonten … 860.000 Dollar, las sie. „Das muss ein Irrtum sein“, flüsterte sie. „Ich habe Maude Geld geschickt, weil …“
Jordan lehnte sich zurück. „Weil, Theo?“
Verwirrt starrte sie auf die Liste. Die Worte und Ziffern, die Wertpapiere, Aktienpakete, Grundstücke und Häuser darstellten, verschwammen vor ihren Augen. „Weil sie von der Sozialhilfe lebte.“
„Sie lebte einfach und bescheiden.“
„Ja“, flüsterte Theo. Sie hob nervös die Tasse an den Mund, und der Kaffee schwappte über den Rand. „Ich verstehe das nicht“, wiederholte sie nach einem hastigen Schluck. „All die Jahre habe ich geglaubt, Maude lebt am Rand der Armut.“
„Und Sie schickten ihr Geld.“
„Nicht regelmäßig und nicht immer den gleichen Betrag. Als ich noch zur High School ging, steckte ich ein paar ersparte Dollar zu meinen Briefen. Später auf dem College war es mehr.“
Jordan räusperte sich. „Wie haben Sie und Maude sich kennengelernt?“
Theo nahm noch einen Schluck Kaffee. „In der vierten Klasse gab die Lehrerin uns die Adressen von Menschen in anderen Bundesstaaten, damit wir ihnen schreiben und vielleicht Brieffreundschaft schließen konnten.“ Sie sah, wie Jordan eine Augenbraue hochzog. „Ja, ich bekam Maudes Anschrift“, fuhr sie fast trotzig fort.
„Ich glaube Ihnen, Theo. Aber vor einundzwanzig Jahren war Maude bereits zweiundsechzig. Warum sollte sie sich mit einem Kind Briefe schreiben wollen?“
„Das habe ich mich nie gefragt“, erwiderte Theo. „Eine Neunjährige denkt über so etwas
Weitere Kostenlose Bücher