BIANCA EXKLUSIV Band 0171
er den Namen auf der Zunge zergehen, als wäre er eine Köstlichkeit.
„Das können Sie“, versicherte sie, dankbar für jedes Geheimnis, das er mit ihr teilte. „Ich würde eher sterben, als Sie zu verraten, Seb.“
Die Taschenlampe leuchtete jetzt senkrecht nach unten, und es wurde noch dunkler. „Ich möchte nicht, dass Sie für meine Geheimnisse sterben, Mademoiselle. Ich möchte nur das, was mir rechtmäßig zusteht.“
Sein feierlicher Ton ließ sie frösteln. „Ich wünsche es Ihnen, Sebastian“, sagte sie leise. „Wo beginnen wir mit der Suche?“
Er kehrte ihr den Rücken und ging weiter. Ein zweiter Tunnel tauchte auf, ein ovales, pechschwarzes Loch in der Wand, mehr nicht. „Dort hinten liegt die Tür zum Nordturm, aber die Treppe ist beschwerlich. Wir bewältigen sie ein anderes Mal. Jetzt zeige ich Ihnen den Weg in den Garten.“
Monty folgte ihm. „Wie weit ist es noch?“, rief sie, und die Frage hallte vor und hinter ihr von den Wänden wider.
„Die Tür zum Korridor im ersten Geschoss befindet sich am Fuß dieser Treppe.“
„Treppe?“ Monty streckte den Arm mit dem Leuchter aus und erkannte die Stufen direkt vor ihr. Dann flackerten die Kerzen auf und erloschen. „Ich hoffe, Sie haben Streichhölzer dabei.“
„Die liegen auf Ihrem Nachttisch.“ Plötzlich war Seb neben ihr. „Ich hole sie.“
„Reicht die Taschenlampe nicht?“
„Wenn wir weitergehen, brauchen wir zwei Lichtquellen. Für den Fall, dass wir getrennt werden oder eine davon ausfällt. Wir können zusammen in Ihr Schlafzimmer zurückkehren und unsere Erkundungstour verschieben. Oder Sie warten hier auf mich. Es wird nicht lange dauern.“
Sie schluckte. Entweder brach sie jetzt das Abenteuer ab, oder sie gab zu, dass sie keineswegs vor nichts und niemandem Angst hatte. „Gehen Sie ruhig. Mir wird schon einfallen, wie ich mich gegen die Spinnen verteidige. Führen Sie mich zur Treppe. Ich werde mich auf die oberste Stufe setzen.“
Er führte sie weiter. Als sie die nicht sehr stabil aussehenden Holzstufen sah, rang sie sich ein aufmunterndes Lächeln ab. „Sie kommen doch zurück und vergessen mich nicht, oder?“
„Ich könnte Sie niemals vergessen, Mademoiselle.“ Sein Kuss vertrieb die Kälte, und sie glaubte, in Flammen aufzugehen. Doch wie die Kerzen, so erlosch auch die Leidenschaft viel zu früh. Seb ging davon und verschwand in der Dunkelheit.
Monty fror wieder. Sie schlang die Arme um den Körper und versuchte, nicht an die achtbeinigen Geschöpfe zu denken, die jeden Moment ihre Bekanntschaft suchen konnten. Sie wagte nicht, sich auf die Stufe zu setzen, sondern lehnte sich gegen die Tunnelwand. Hoffentlich beeilte er sich.
Nach einer halben Minute fragte sie sich, warum sie so sicher war, dass er zurückkommen würde. Wollte er sie hier zurücklassen? Würde sie sterben, bevor sie allein herausfand?
„Unsinn“, sagte sie laut und stampfte mit dem Fuß auf. Es fühlte sich gut an, und sie tat es noch einmal. Vielleicht vertrieb es ja die Spinnen. Ob sie „Frère Jacques“, singen sollte? Das würde den ekligen Biestern den Rest geben.
Bevor ihr die erste Strophe einfiel, spürte sie hinter sich eine Bewegung. Etwas Hartes traf sie unterhalb des Nackens. Sie fiel nach vorn, in die pechschwarze Leere.
5. KAPITEL
Monty spürte ein dumpfes Pochen in der Hüfte, und ihre rechte Handfläche schmerzte. Bewusster als das nahm sie allerdings wahr, wie Seb ihr zärtlich über den Kopf strich und sie leise in einer fremden Sprache tröstete. Es dauerte eine Weile, bis sie begriff, dass sie auf der obersten Stufe der Treppe saß. Mühsam richtete sie sich auf und versuchte, eine bequemere Sitzposition zu finden. Seb half ihr, und das unangenehme Gefühl in der Hüfte verschwand. Seine Berührung war wohltuend warm.
„Das ging aber schnell“, flüsterte sie und schloss kurz die Augen, bevor sie ihm in das besorgte Gesicht sah. „Haben Sie die Streichhölzer geholt?“
Er tat die Frage mit einer knappen Handbewegung ab und murmelte auf Französisch etwas, das Monty nicht verstand.
„Was haben Sie gesagt?“ Sie rieb sich die Stirn. Die Haut brannte und prickelte, als hätte sie einen Schlag gegen den Kopf bekommen.
„Wie geht es Ihnen?“, fragte er. „Haben Sie sich verletzt? Sie sollten sich doch auf die Stufe setzen und auf mich warten. Warum sind Sie im Dunkeln die Treppe hinuntergestiegen?“
Die Treppe hinuntergestiegen? Hatte sie das etwa getan? „Ich weiß es nicht“, sagte
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