BIANCA EXKLUSIV Band 0173
sie ein zusätzliches Gewächshaus bauen, in dem die verkaufsfertigen Rosen etikettiert und den Kunden präsentiert wurden. Sie bestellte die Kunststoffplanen, mit denen sie vor Anbruch des Winters die Gewächshäuser abdecken konnte.
Und sie bestand darauf, Jack Lohn zu zahlen. Er protestierte mit der Begründung, dass er nicht genug über Rosenzucht wusste, um eine Bezahlung zu rechtfertigen. Schließlich einigten sie sich auf einen Wochenlohn, der weit unter dem lag, was ein gelernter Gärtner verdiente. Jacks Probezeit ging vorbei, ohne dass einer von ihnen es erwähnte. Für Beth stand längst fest, dass Jack so lange bleiben konnte, wie er wollte.
Es beeindruckte sie, wie schnell er von ihr gelernt hatte, mit Rosen umzugehen. „Sie sind ein Naturtalent“, lobte sie ihn eines Tages.
Er lächelte erfreut. „Danke. Die Arbeit gefällt mir.“
An den Wochentagen stand Beth um halb sieben auf. Um halb neun hatten sie gefrühstückt, die Küche war aufgeräumt, die Kinder aus dem Haus, und sie und Jack begannen mit der Arbeit.
Am Samstag kam Darrell Drummond, ein Teenager, der sich neben der Schule ein wenig Geld verdienen wollte, auf die Farm und half Jack. So konnte Beth sich um das Haus und die Kinder kümmern. Sie gönnte sich sogar den Luxus, wieder Brot zu backen, wozu sie seit über einem Jahr weder Zeit noch Kraft gehabt hatte. Als der Duft die Küche erfüllte und auf den Hof hinauswehte, ertappte sie sich dabei, wie sie vor sich hinsummte. Auch das hatte sie schon lange nicht mehr getan.
Am Sonntag ruhten alle sich aus. Nur Jack ging am Nachmittag meistens in die Scheune, um an dem Spielhaus für Matthew und Amy zu arbeiten und die Rankgerüste und Gitter zu bauen, die Beth zusammen mit den Kletterrosen verkaufen konnte.
Nach dem Abendessen saßen sie für gewöhnlich auf der Veranda – Beth im alten Schaukelstuhl ihrer Großmutter, Jack auf der obersten Treppenstufe, zwischen Amy und Matthew. Solange das Licht ausreichte, schnitzte er für die Kinder alle möglichen Figuren. Hunde, Katzen, Eichhörnchen, Autos, Flugzeuge, Puppen.
Die Kinder vergötterten Jack, vor allem Matthew. Kaum kam er nachmittags aus der Schule, folgte er Jack auf Schritt und Tritt. Beth wurde klar, wie sehr ihr Sohn einen Mann im Haus vermisst hatte. Er machte alles nach, was Jack tat, und wollte alles lernen, was Jack wusste. Jungen brauchen ein Vorbild, dachte sie betrübt. Also hatte sie jetzt noch einen Grund, Jack dankbar zu sein. Was würde geschehen, wenn er fortging? Sie befürchtete, dass es Matthew sehr wehtun würde. Genau wie damals, als Eben gestorben war, auch wenn er ihm kein guter Vater gewesen war.
Ihr Sohn blühte auf. Jack brachte ihm alles über Holzbearbeitung bei. Als Matthew zum ersten Mal etwas schnitzte – ein Herz – und es ihr voller Stolz schenkte, leuchteten seine Augen so sehr, dass Beth die Tränen kamen. Später, als sie ihre Gefühle wieder unter Kontrolle hatte, bedankte sie sich bei Jack.
„Sie brauchen mir nicht zu danken“, sagte er leise. „Ich bin gerne mit Matthew zusammen. Er ist ein großartiger Junge.“
Ihre Blicke trafen sich, und in Jacks lag etwas, ein Ausdruck, den sie nicht definieren konnte. Trotzdem fühlte sie, wie ihr warm ums Herz wurde. Dabei war sie fest entschlossen, zu ihm Distanz zu wahren. Sie durfte sich nicht an ihn gewöhnen.
Er ist nur auf der Durchreise, dachte sie, vergiss das nicht.
An einem Samstag fand Beth auf dem Dachboden die alte Gitarre ihrer Mutter. Der Anblick löste eine Flut von Erinnerungen aus. Ihre Mutter war so hübsch gewesen. Beth hatte ihr rotblondes Haar geerbt, aber nicht ihre blauen Augen. Beths waren braun wie die ihres unbekannten Vaters.
Urplötzlich, als wäre es erst gestern gewesen, erinnerte sie sich an einen schwülen Sommerabend, an dem sie vier oder fünf gewesen war. Ihre Mutter hatte auf der Verandatreppe gesessen, genau dort, wo Jack jetzt immer saß. Sie hatte Gitarre gespielt und leise gesungen – ein Lied von Liebe und Verlust. Die Erinnerung war so deutlich, dass Beth glaubte, den Duft der Sombreuil zu riechen, der Kletterrose, die ihre Großmutter an die Pfosten der Veranda gepflanzt hatte. Wie damals, veranstalteten auch jetzt die Zikaden im Hintergrund ihr eigenes Konzert.
Beth hatte immer gespürt, dass ihre Mutter irgendwie traurig war. Und sie hatte geahnt, dass diese Trauer damit zu tun hatte, dass Beth keinen Vater hatte, wie die anderen Kinder einen besaßen. Erst später, als sie älter war,
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