BIANCA EXKLUSIV Band 0173
moderierte, Ryan Matthews wollte ihr auch noch einreden, dass sie einen wichtigen Schritt auf der Karriereleiter gemacht hatte. Seine Absichten waren leicht zu durchschauen, und als Sherry ihn damit konfrontierte, erklärte er ihr halbherzig, dass die Öffentlichkeit ihren „ausschweifenden Lebenswandel“ ganz sicher nicht tolerieren würde. Noch nicht mal heutzutage. Die Leute, hatte er behauptet, empfänden eine unverheiratete Schwangere immer noch als empörend, und ganz bestimmt verspürten sie nicht die geringste Lust, sie Abend für Abend in ihrem Wohnzimmer willkommen zu heißen.
Obwohl inzwischen fünf Monate vergangen waren, klangen Matthews Worte ihr noch immer im Ohr. Damals schien es ihren Chef nicht im Geringsten zu beeindrucken, dass der Schreibtisch im Fernsehstudio groß genug gewesen war, um ihren Bauchumfang vor dem Publikum zu verbergen. Und es schien ihn noch weniger zu interessieren, dass sie niemals einen „ausschweifenden Lebenswandel“ gepflegt hatte. Die Schwangerschaft war das Resultat der ersten und einzigen Affäre, in die sie sich in ihrem Leben gestürzt hatte. Als sie ihrem Liebhaber von ihrer Schwangerschaft erzählt hatte, hatte er sich nicht anders zu helfen gewusst, als ihr die Adresse einer Abtreibungsklinik in die Hand zu drücken. Und Matthews besaß offenbar das Rückgrat eines Gummibaums. Er bog sich immer in die Richtung, aus der der Wind am stärksten blies, und in diesem Fall war das der Aufsichtsrat des Fernsehsenders.
„Schwangere Frauen spielen heutzutage sogar in Fernsehserien mit, ohne dass das Publikum etwas merkt. Warum soll ausgerechnet ich meinen Platz räumen?“, hatte Sherry beharrt, obwohl sie genau gewusst hatte, dass jede Argumentation überflüssig war. Höflich, aber entschieden hatte Matthews ihr mitgeteilt, dass sie ihren neuen Job entweder akzeptieren oder ihre Sachen packen sollte.
Also hatte sie ihre Sachen gepackt.
Nachdem ihre Wut auf Matthews verraucht war, nahm sie ihren Rausschmiss beim Fernsehen als Wink des Schicksals, sich wieder ihrer eigentlichen Leidenschaft zuzuwenden: dem Schreiben. Das bedeutete, in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten. Vor seinem Ruhestand war Connor Campbell ein allseits respektierter und anerkannter Journalist gewesen. Sogar den Pulitzerpreis, die renommierteste Auszeichnung für Journalisten, hatte man ihm verliehen. Nur seinetwegen war sie überhaupt Nachrichtenjournalistin geworden.
Schon immer hatte sie Probleme entschlossen aus dem Weg geräumt. Nachdem sie einen Nachmittag lang ihrer zerstörten Karriere als Nachrichtensprecherin nachgeweint hatte, marschierte sie wieder volle Kraft voraus. Zuerst wandte sie sich an Owen Carmichael, den besten Freund ihres Vaters und ihren Paten, und fragte nach einem Job. Gemeinsam mit ihrem Vater hatte Owen Carmichael seine Laufbahn begonnen, damals, als es noch nicht mal elektrische Schreibmaschinen gegeben hatte. Jetzt war er Chefredakteur der Bedford World News.
Owen war froh gewesen, dass er Sherry einen Job verschaffen konnte, aber sie hatte auf einen interessanteren Auftrag gehofft als die Jahresversammlung des Kaninchenzüchtervereins.
Das alles ging ihr durch den Kopf, als sie am Kopierer stand, ihr Blick auf das Blatt Papier in ihrer Hand fiel und die Redaktionsassistentin sie aus hellblauen Augen neugierig anstarrte.
Sherry verspürte nicht das geringste Bedürfnis, mit der Frau über ihren Job als Nachrichtensprecherin zu plaudern. Oder über den Grund für ihren Rausschmiss. Alles, was über einen höflichen Gruß hinausging, überforderte sie. Außerdem machte die Frau ganz den Eindruck, als würde sie gern tratschen.
„Ach, das passiert mir oft“, erklärte Sherry unbekümmert. „Ich habe eben ein Allerweltsgesicht.“
Die Assistentin schien nicht überzeugt. „Aber …“ Nachdenklich brach sie ab. Plötzlich leuchtete ihre Miene auf. „‚Hallo, hallo aus dem Los Angeles Basin‘.“
Das war die Formel gewesen, mit der Sherry die Zuschauer jeden Abend begrüßt hatte. Besonders originell war der Spruch nicht, aber immerhin hatte er einen hohen Wiedererkennungswert. Vier Jahre lang war sie Moderatorin gewesen, bevor Matthews sie abserviert hatte.
Sherry schüttelte den Kopf. Das hellbraune, leicht rötliche Haar schwang sanft um ihr ovales Gesicht. „Tut mir leid. Ich muss dringend zu Owen. Bin schon viel zu spät dran.“ Sie ließ es absichtlich so klingen, als hätte Owen dringend nach ihr verlangt, obwohl es natürlich genau umgekehrt
Weitere Kostenlose Bücher