BIANCA EXKLUSIV Band 0173
großzügig. Andererseits musste sie sich eingestehen, dass sie überhaupt nicht wusste, was für ein Typ er eigentlich war. Sie kannte ihn nur vom Hörensagen, und das, was man sich über ihn erzählte, war nicht besonders ermutigend. Genauer betrachtet, passte der Mann einfach in kein Schema. Sie konnte noch nicht mal behaupten, dass er vor der Presse Angst hatte oder sich nicht zeigen wollte. Er mochte die Medien einfach nicht. Und das war nun wirklich nicht ungewöhnlich.
Die Krankenschwester, die sie von der Station zum Empfang begleitet hatte, trat unruhig von einem Bein aufs andere. „Ich muss zu meiner Arbeit zurück“, drängte sie sanft. „Darf ich Sie zum Wagen Ihres Vaters bringen?“
Connor war froh, dass das Thema fürs Erste beendet war. „Natürlich“, antwortete er wie aus der Pistole geschossen und tätschelte Sherrys Hand. „Wir werden der Sache auf den Grund gehen, keine Angst. Aber das Wichtigste zuerst. Ich fahre den Wagen vor den Eingang“, erklärte er der Krankenschwester und schaute seine Frau an. „Kommst du, Grandma?“
Sheila McKinney Campbell richtete sich kerzengerade auf und straffte die Schulter, während sie ihren Mann mit verärgertem Blick fixierte. „Ich warte lieber bei Sherry. Und ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mich nicht ‚Grandma‘ nennen würdest, Connor. Ich glaube“, sie atmete tief durch, „dass ich noch keine Lust habe, mich so nennen zu lassen.“
Sherry sah ihre Mutter genauer an. Ihre Haut war immer noch makellos glatt, und das Haar glänzte immer noch rot, ohne dass sie mit Tönungen nachhelfen musste. Sheila Campbell wirkte fast wie Sherrys ältere Schwester, nicht wie ihre Mutter. Sherry konnte deren ambivalente Gefühle gut verstehen.
„Trotzdem solltest du dir was überlegen, Mom. Ich will nicht, dass mein Sohn jedes Mal ‚hey du‘ ruft, wenn er deine Aufmerksamkeit haben will.“
Sheila nickte. „Lass mich noch eine kleine Weile darüber nachdenken“, murmelte sie in sich hinein.
Sherry hörte kaum zu. In Gedanken war sie bereits woanders. Adairs seltsames Verhalten wollte ihr nicht aus dem Kopf gehen. Warum handelte er so merkwürdig? Bedeutete ihm die Sache mehr, als er zugeben mochte?
Einen Augenblick lang hatte sie sogar vergessen, dass sie ihren Sohn zurücklassen musste.
„Er macht sich gut.“ Die Krankenschwester der Spätschicht trat zu Sherry und schaute zu, wie sie mit dem Baby im Arm sanft im Schaukelstuhl hin- und herwiegte. „Wenn es so weitergeht, dann können Sie ihn in einer Woche mit nach Hause nehmen.“
„Gut.“ Sherry küsste das kleine Händchen in ihrer Handfläche. „Ich will, dass du endlich nach Hause kommst, mein Kleiner.“
„Das kann ich mir denken“, meinte die Schwester. „Und ich bin sicher, dass Ihr Bruder sich auch sehr darüber freuen würde.“
Verwirrt schaute Sherry die Schwester an. Sie war Einzelkind. „Mein Bruder?“
„Ja.“ Die Schwester ließ ihren Blick auf dem Baby ruhen. „Er kommt jeden Abend hier vorbei. Um neun, lange nach den Besuchszeiten“, gestand sie Sherry. „Aber er hat eine der Schwestern überzeugen können, ihn für ein paar Minuten zu dem Kleinen zu lassen. Ich wünschte, mein Bruder würde sich so um seine Nichten und Neffen kümmern. Ich wette, dass er sich noch nicht mal an ihre Geburtsdaten erinnern kann.“
Es konnte nicht sein, dass Rusty oder Owen ihr nichts von ihren Besuchen erzählt hatten. „Sind Sie sicher, dass kein Irrtum vorliegt? Ich habe gar keinen Bruder.“
„Groß, ruhig und bemerkenswert gut aussehend“, zählte die Frau überrascht und verwirrt auf.
Es konnte sich nur um Adair handeln. „Hat er Ihnen gesagt, warum er herkommt?“
„Ja, natürlich. Er will sich überzeugen, dass es seinem Neffen gut geht. Das hat er jedenfalls zu Doris gesagt“, berichtete die Schwester.
In den vergangenen Tagen hatte Sherry sich Urlaub genommen und nicht weiter recherchiert. Sie hatte sich um ihre Gesundheit kümmern und das normale Leben wieder aufnehmen wollen. Natürlich verbrachte sie so viel Zeit wie möglich bei ihrem Sohn. Aber die Sache mit Adair wurde langsam wirklich rätselhaft. Vielleicht war es an der Zeit, dass sie die Recherchen wieder aufnahm. „Wann kommt er denn gewöhnlich vorbei?“
„Um neun“, wiederholte die Schwester. „Jeden Abend. Pünktlich auf die Minute.“
Die Automatiktüren glitten zur Seite, und Sherry betrat das Blair Memorial Hospital. Der Arzt, mit dem sie am Nachmittag über ihren Sohn
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