BIANCA EXKLUSIV Band 0174
den Fall nach anderen Kriterien entscheidet. Ohne ein zwingendes Gegenargument wird in Fällen wie diesem meist den Großeltern das Sorgerecht zugesprochen, Colby. Ich wollte, ich könnte optimistischer sein.“
Das Gespräch war damit beendet. Colby versuchte, sich wieder auf die Marketinganalyse zu konzentrieren. Von ihr hing viel für die Zukunft der Firma ab. Aber im Augenblick dachte er nur daran, dass er womöglich Megan verlieren würde.
Das Blut pochte in seinen Ohren. Ohne zwingendes Gegenargument, hatte Jack gesagt. Die einzige Chance war also zu beweisen, dass Eugenia und Kingsley als Ersatzeltern ungeeignet waren.
Das würde ihm zwar gelingen, aber gleichzeitig würde er damit auch das Familiengeheimnis enthüllen, einen Skandal verursachen, die Sinclairs lächerlich machen und damit vielleicht gesellschaftlich ruinieren.
Jetzt hieß es, die schwierigste Entscheidung seines Lebens zu fällen. Colby hatte diese Möglichkeit bislang nicht genutzt, Rache war nicht seine Sache. Aber aus Verzweiflung würde er handeln – um Megan vor einem Schicksal zu bewahren, das ihre Mutter und ihr Onkel hatten erdulden müssen.
Es gab nur eine Möglichkeit, durch die er seine Eltern dazu bringen könnte, die Klage auf Sorgerecht fallenzulassen: Erpressung. Zur Not würde er sie anwenden.
Die Hausangestellte fragte: „Werden Sie erwartet, Sir?“
Colby ging wortlos an ihr vorbei direkt in den Salon.
Dani, die mit Megan in einem brokatbezogenen Lehnsessel saß, starrte ihn erschrocken an.
„Ich habe deinen Wagen in der Auffahrt gesehen und hoffte, ich hätte mich geirrt“, sagte er kühl zu ihr.
„Colby, ich …“
Er wandte sich wortlos seinen Eltern zu, die nebeneinander auf einem Diwan saßen. Sein Blick ging kurz über das aufwendig eingerichtete Zimmer. Nichts hatte sich hier verändert, alles zeugte von dem Wohlstand und der gesellschaftlichen Position der Sinclairs.
Auf einem Porzellanteller lagen kleine Häppchen, auf dem Rosenholztisch stand das silberne Teegeschirr. Derselbe Tisch, auf dem Colbys kindliche Zeichnung gelegen hatte …
„Was für eine reizende Familienidylle“, sagte er. „Tut mir leid, meine Einladung ist wohl in der Post verlorengegangen.“
Eugenia erhob sich und strich ihren Leinenrock glatt. „Angesichts so schlechter Manieren fragt man sich doch, was man falsch gemacht hat. Rowena …“ Eugenia schnippte mit den Fingern, und die Hausangestellte erschien. „Holen Sie bitte noch ein Gedeck. Mr. Sinclair trinkt seinen Tee mit Milch.“
Rowena nickte. „Sehr wohl, Madam.“
„Bemühen Sie sich nicht, ich bleibe nicht lange.“
Das Mädchen schaute unsicher zu ihrer Herrin und verschwand dann.
Colby sah zu seinem Vater. Der war sichtlich gealtert. Die Augen, die früher Kraft ausgestrahlt hatten, waren nun matt, sein edles Gesicht verhärmt und blass, die robuste Figur verfallen.
Mitleid überkam Colby. Die Jahre hatten einen harten Tribut von seinen Eltern gefordert. Es erstaunte ihn, dass ihn das berührte.
Dani stand auf. „Ich wollte heute Abend mit dir darüber reden“, sagte sie, „aber vielleicht ist es genauso gut, dass du jetzt hier bist.“
„Nichts, worüber ich sprechen möchte, betrifft dich, Danielle. Bitte nimm Megan und geh.“
„Colby, ich verstehe ja, dass du verärgert bist, aber …“
„Verärgert?“ Er lachte trocken. „Wenn man hintergangen wird, hat das nichts mit Ärger zu tun.“
„Ich habe dich nicht hintergangen“, sagte sie bedrückt. „Ich wollte nur, dass deine Eltern wissen, was für ein wunderbarer Vater du für Megan bist.“
„Ach so. Und? Waren sie beeindruckt? Ich glaube nicht. Ich dagegen weiß genau, was die Aufmerksamkeit meiner Eltern wecken wird. Nicht wahr, Mutter?“
Eugenia wurde blass. Sie wusste, worauf er anspielte.
Colby empfand keinen Triumph, eher Bedauern. „Bitte geh, Danielle, meine Eltern und ich haben etwas privat zu besprechen.“
Dani wandte ein: „Ich gehöre jetzt mit zur Familie“, und setzte sich wieder. Colby unterdrückte einen Seufzer und wandte sich an seine Eltern, die beide aschfahl waren.
„Hiermit möchte ich euch mitteilen, dass ich, wenn ihr die Klage auf das Sorgerecht nicht fallenlasst, aussagen werde, was Olivia und ich in der Nacht meines zehnten Geburtstages gehört haben“, verkündete er ruhig.
Eugenia hielt sich am Ärmel ihres Mannes fest. „Das wagst du nicht!“
„Lass es doch darauf ankommen.“
Kingsley straffte die mageren Schultern. „Du hast
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