BIANCA EXKLUSIV Band 0174
und flüchtet sich in die Suche, um sich nicht damit auseinandersetzen zu müssen.“
„Haben Sie Anne gesagt, wie Sie denken?“, erkundigte sich Carl vorsichtig.
„Ja. Es hat jedoch nichts gebracht.“
Carl betrachtete John nachdenklich. „Nahmen Sie Anne zu dem Dinner mit, um sie doch zum Rückzug zu veranlassen?“
Dieser Mann war sehr direkt, wie John merkte. „Ja“, erwiderte er aufrichtig. „Ich dachte, wenn Anne begreift, wie sehr Gloria ihren Adoptivsohn liebt, würde sie vielleicht ihre Meinung ändern.“
„Das ist anscheinend nicht passiert, oder?“
„Nein“, gab John bedauernd zu.
Celia beugte sich vor und goss ihm noch einen Kaffee ein. „Ich weiß nicht, was ich Ihnen sagen soll, außer dass Anne eine sehr empfindsame und fürsorgliche Frau ist. Sie hat sich die Aufgabe gestellt, ihre Auftraggeber nach besten Kräften zu unterstützen.“
„Sie würde nichts tun, was Ihren Neffen verletzen könnte“, schaltete Carl sich ein.
Das glaubte John auch. Doch es würde zwangsläufig geschehen, auch wenn sie es nicht beabsichtigte.
„Ich möchte Ihnen erklären, warum Anne sich so verpflichtet fühlt, anderen Halbasiaten zu helfen“, sagte Celia. „Sie weiß zu gut, wie es ist, verwaist zu sein und kaum eine Erinnerung an die Eltern zu haben. Ob es uns gefällt oder nicht, die meisten adoptierten Kinder versuchen mit allen Kräften, mehr über ihre Herkunft zu erfahren.“
„Hat Anne das auch getan?“
Celia und Carl wechselten sichtlich nervös einen Blick, bevor Celia antwortete. „Ja. Im Alter von fünf Jahren verlor Anne ihre Mutter und hörte erst kürzlich, dass ihr Vater noch lebt. Sie sucht ihn schon seit acht Jahren.“
John überlegte, wie es sein mochte, nichts über den eigenen Vater zu wissen, konnte es sich jedoch nicht vorstellen. Doch er verstand nun, wie sehr dieses Nichtwissen einen Menschen quälen musste. Er merkte jedoch auch, dass Anne von ihren Adoptiveltern aufrichtig und tief geliebt wurde. Sollte ihr das nicht genügen?
„Hat Anne ihren leiblichen Vater gefunden?“
„Noch nicht“, erwiderte Carl sichtlich beunruhigt.
„Oder sie hat es uns bloß nicht gesagt“, ergänzte Celia ernst.
Danach saßen sie schweigend da, jeder mit seinen Gedanken beschäftigt, bis John schließlich bat: „Darf ich Sie fragen, wie alt Anne war, als Sie sie adoptierten.“
„Fünf und ein hochintelligentes Kind. Trotzdem fiel es ihr schwer, sich hier einzuleben. Sie musste unsere Sprache erlernen und sich an einen völlig neuen Kulturkreis gewöhnen. Zwar hat Anne sich nie beklagt, aber es ist sehr hart für sie gewesen.“ Carl nickte langsam. „Sehr hart.“
„Wir haben natürlich alles Menschenmögliche getan, um ihr zu helfen“, berichtete Celia. „Zum Glück waren unsere beiden eigenen Kinder damals schon auf dem College, sodass wir viel Zeit für Anne hatten. Leider ließ sie uns nie sehr nahe an sich heran. Sie schien eine Art Schutzwall um ihr Herz gebaut zu haben, um nicht wieder verletzt zu werden. Sie kapselte sich von uns allen ab, auch von ihrem Bruder und ihrer Schwester.“
Bestimmt war es von Anne nicht gewollt, aber sie hatte ihren Adoptiveltern das Gefühl gegeben, nur an zweiter Stelle zu stehen, dachte John. Vielleicht hätte er in der gleichen Situation genauso reagiert.
„Ich wünschte, wir könnten Ihnen behilflich sein“, riss Celia ihn aus den Gedanken.
„Ich auch. Aber Anne muss das tun, was sie für richtig hält. Wir dürfen uns nicht einmischen“, sagte Carl.
John stand auf, denn es war an der Zeit, sich zu verabschieden. „Danke, dass Sie mit mir gesprochen haben.“
Celia begleitete ihn hinaus. „Ich hoffe, dass für Ihre Familie alles gut ausgeht“, bemerkte sie leise.
Anne las die Papiere durch, die ihr durch eine Freundin vom katholischen Waisenhaus geschickt worden waren, und konnte es nicht fassen. Da stand klar und deutlich, dass Tims Mutter durchaus keine Prostituierte gewesen war, sondern aus einer angesehenen, wohlhabenden Familie stammte. Son-ja, das einzige, behütete Kind eines südkoreanischen Kaufmanns, hatte sich auf eine Liebesaffäre mit einem amerikanischen Offizier eingelassen und wurde sofort schwanger. Die Familie bestand auf einer Heirat, doch der bereits verheiratete Offizier weigerte sich.
Die von ihrem Geliebten betrogene und verlassene Son-ja Kim wurde von ihren zornigen und beschämten Eltern in ein katholisches Kloster verbannt, um dort das Kind unter strikter Geheimhaltung zur Welt zu
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