BIANCA EXKLUSIV Band 0174
ihr. „Sie haben sich schon selbst mit diesem Fall befasst und kennen einige Tatsachen, nicht wahr?“
„Lächerlich“, erwiderte John schroff. „Ich möchte nur zu bedenken geben, dass Tims Mutter eine Frau sein könnte, die er lieber nicht kennenlernen sollte.“
Anne trat noch näher auf ihn zu. Sie roch den herben Duft seines Rasierwassers und sah die feinen Bartstoppeln. „Diese Möglichkeit ist sehr gering.“
„Selbst die geringste Möglichkeit wäre im Moment viel zu riskant“, sagte er ernst.
Anne hockte sich auf den Schreibtischrand und beugte sich zu John vor. „Angenommen, ich verspreche Ihnen, dass nichts dergleichen geschehen wird.“ Sie dachte daran, was sie über Son-ja Hasegawa erfahren hatte. „Würden Sie dann aufhören, sich einzumischen?“
Als John merkte, dass sie schon irgendetwas herausgefunden hatte, wurde er kreidebleich. Er presste die Lippen zusammen und schwieg.
„Ja, ich habe sie gefunden“, gestand Anne.
„Auch Tims Vater?“, brachte John heraus.
„Noch nicht. Aber ich arbeite daran.“
John sah so verkrampft aus, dass ihr Herz schwer zu schlagen begann. Doch er musste erfahren, was sie erreicht hatte.
„Ich bin gerade dabei, mich mit Tims Mutter in Verbindung zu setzen. Sie hat Tim übrigens nie weggeben wollen.“
Da irrst du dich gewaltig, dachte John grimmig. Deutlich erinnerte er sich daran, was sein Bruder ihm nach der Rückkehr aus Korea erzählt hatte. Er kannte die Worte auswendig, die lauteten: „Son-ja hat das Gefühl, dass ihr Leben ruiniert ist. Von den Schwestern im Kloster hörte ich, dass Son-ja und ihre Familie nichts mit diesem halbasiatischen Kind zu tun haben wollen …“ Wütend stellte John Anne zur Rede.
„Wer hat Ihnen so etwas gesagt? Los, sagen Sie schon.“
Anne antwortete nicht. Sie durfte ihre Informantin nicht preisgeben, um sie nicht zu gefährden.
„Na schön, was kostet es, Sie von diesem Fall abzubringen? Sie erwähnten einmal, dass Sie dringend Geld für Ihre Agentur brauchten. Wie viel?“
„Sie beleidigen mich!“ Empört sprang Anne vom Schreibtisch herunter und lief zur Tür.
John versperrte ihr den Weg und stemmte links und rechts von ihr die Hände gegen den Türrahmen. Anne war gefangen.
„Ich meine es ernst, Anne. Also, wie viel?“
„Ich will Ihr Geld nicht!“, brauste sie auf. Dass er sie für bestechlich hielt, schmerzte sie zutiefst, und sie wandte ihr Gesicht ab.
Er war ihr viel zu nahe. Wenn sie sich nur einen Zentimeter nach vorn bewegte, würden sich ihre Körper berühren. Oh, warum war sie nur hergekommen?
John hob ihr Kinn an und zwang sie, ihn wieder anzusehen. „Wenn Sie kein Geld wollen, was sonst?“, fragte er eindringlich.
„In meiner Arbeit nicht behindert zu werden.“ Dass ihre Stimme zitterte, konnte sie nicht verhindern. Es war ein schlimmer Tag. Sie fühlte sich von John hintergangen, hatte sich mit ihren Eltern gestritten – und nun noch dies hier.
Als John spürte, dass sie fest entschlossen war weiterzumachen, rückte er ein Stückchen von ihr ab. Doch er hielt sie noch immer zwischen seinen Armen gefangen. „So können Sie Tim nicht helfen, glauben Sie mir.“
Wieso benahm er sich derart verbissen und rechthaberisch, wo er doch sonst so verständnisvoll und mitfühlend war? „Wie kommen Sie darauf, dass ich Tim nicht helfen kann?“, fragte sie scharf.
„Ich weiß es einfach, okay?“ Mit beiden Händen fuhr John sich zornig durch das Haar.
„Was verschweigen Sie? Was ist Ihnen bekannt, von dem ich nichts weiß?“
„Immerhin genug, um überzeugt zu sein, dass Tim und meine ganze Familie leiden müssen, wenn Sie nicht aufhören. Anne, bitte, ich flehe Sie an, die Suche nicht fortzusetzen.“ Er sprach auf einmal so weich, dass Anne mit sich kämpfte.
Seinem Versuch, sie zu bestechen, hatte Anne leicht widerstehen können. Doch jetzt fiel es ihr schwer. „Es ist zu spät“, sagte sie mit leisem Bedauern. „Ich habe bereits einen Eilbrief an Tims Mutter nach Tokio abgeschickt und ihr alles berichtet.“ Und dafür sei dem Himmel Dank, dachte Anne. Denn wenn ich es nicht getan hätte, wäre ich jetzt nicht mehr dazu imstande.
John sah sie nämlich so an, als würde ihm das Herz brechen.
„Sie lebt in Tokio?“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen heraus. Er trat von der Tür zurück und ballte die Hände zu Fäusten.
Niedergeschlagen nickte Anne. Dass sie ihn zutiefst enttäuscht hatte, tat ihr entsetzlich weh. „Ich muss jetzt gehen!“ Sie
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