BIANCA EXKLUSIV Band 0174
nicht schleunigst einige Arbeit abgenommen wird, und … und weil wir uns offenbar allmählich miteinander anfreunden.“ John zog die Hand zurück und setzte hinzu: „Also, Anne, ja oder nein?“
„Ich habe noch einige Fälle zu bearbeiten, nicht nur den von Tim“, wandte sie ein.
„Wenn Sie mit zwei Jobs klarkommen, wäre das kein Problem für mich.“
„Außerdem muss ich an diesem Wochenende nach Minneapolis.“
„Weswegen?“ Er sah ein wenig besorgt und sogar etwas eifersüchtig aus.
Dass sie ihren Vater endlich aufgespürt hatte, wollte Anne nicht verraten, und darum entgegnete sie: „Es geht um etwas Persönliches.“
„Wie lange bleiben Sie fort?“
„Das weiß ich noch nicht.“ Zwei Tage oder länger, falls mein Vater mich dabehalten möchte, dachte Anne.
„Könnten Sie am Montag mit der Arbeit bei mir beginnen?“
„Wahrscheinlich. Ich glaube, das lässt sich einrichten.“
„Okay“, meinte John zufrieden und winkte die Kellnerin mit der Rechnung zu sich.
„Miss Haynes, Sie können jetzt zu Mr. Ryan.“
Mit wackeligen Knien stand Anne auf und ging in das luxuriöse Büro, in dem Robert Ryan saß. Ihr erster Gedanke war: Er ist ziemlich gealtert. Ihr zweiter Gedanke war: Ich hätte ihn überall sofort erkannt.
Robert Ryan war groß und beeindruckend mit seinem markanten Gesicht, auffallend blauen Augen, dem dichten, kurzgeschnittenen silbergrau melierten Haar und der schlanken, sehnigen Gestalt.
„Miss Haynes?“ Er lächelte Anne an, beugte sich vor und ergriff ihre feuchte, zitternde Hand. „Wollen Sie sich nicht setzen?“ Er deutete auf einen weichen Sessel, in den Anne sich aufatmend sinken ließ. Himmel! dachte sie den Tränen nahe, ich darf jetzt nicht zusammenbrechen.
„Ja“, brachte sie schwach heraus.
„Wie ich hörte, sind Sie hier, um mit mir über eine Spende für Ihre Agentur zu reden. Ich möchte ganz offen sein, Miss Haynes.“ Er verstummte und suchte anscheinend nach Worten, die Anne nicht beleidigen würden. „Ich habe mit solchen Agenturen einige Erfahrung, sie nehmen eine Menge Geld und bringen letztlich sehr wenig zustande.“
„Sie irren sich. Ich bin schon oft erfolgreich gewesen. Aus diesem Grund kam ich zu Ihnen“, fügte Anne nervös hinzu. „Ich wollte Ihnen mitteilen …“ Auf einmal wusste sie nicht, wie sie es ihm am besten beibringen sollte, und platzte einfach heraus: „Mr. Ryan … Dad, ich bin das kleine Mädchen, das Sie in Saigon zurückgelassen haben.“
Zornig sprang er auf. „Sie lügen. Meine Tochter ist gestorben.“
„Nein“, erwiderte Anne verstört. Tränen stürzten ihr in die Augen. „Ich bin wirklich …“
„Ach ja?“, unterbrach er sie höhnisch. „Sie werden wohl gleich noch behaupten, dass Sie sich an mich erinnern.“
„An Sie erinnere ich mich nicht. Jedoch an meine Mutter, An Sengsouvoung. Sie starb, als ich fünf Jahre alt war. Und ich erinnere mich deutlich an Ihr Foto, das in unserer Wohnung stand, und daran, wie verzweifelt Mutter darum betete, dass Sie zurückkommen und uns holen würden. Das hatten Sie uns versprochen, allerdings nie getan.“
Geschockt starrte er Anne an. Sie spürte, dass er ihr so gern glauben wollte, es aber nicht konnte. Es dauerte lange, bis er mit verkniffenem Mund sagte: „Ich weiß nicht, wer Sie sind und was Sie sich von dieser Schwindelei erhoffen. Doch nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich es für grausam halte. Ich habe meine Saigon-Familie geliebt und wollte sie zu mir holen.“ Ryans Stimme bebte vor Zorn. „Es hat mich viele Jahre gekostet, all die bürokratischen Hindernisse zu überwinden. Und als ich es endlich geschafft hatte, waren sowohl meine Geliebte wie auch meine Tochter an Malaria gestorben.“
„Lassen Sie es mich doch bitte erklären. Meine Mutter ist gestorben.“ Anne legte die Hand auf ihr Herz. „Aber ich nicht.“
„Sie lügen!“
„Nein!“, rief Anne. Sie war so verletzt, dass sie kaum atmen konnte.
„Verlassen Sie mein Büro“, schrie Robert Ryan und schlug mit der Faust hart auf den Schreibtisch. „Und kommen Sie nie wieder her!“
Da ihr nichts anderes übrigblieb, ging Anne hinaus. Danach versuchte sie noch mehrmals, sich mit ihm in Verbindung zu setzen, wurde jedoch immer abgewiesen. Bitterlich enttäuscht kehrte sie nach New Hampshire zurück.
Sonntagabend klingelte es an der Haustür. Anne raffte sich mühsam auf und öffnete.
Als John sie sah, fragte er bestürzt: „War wohl keine gute Reise?“
Den Tränen nahe,
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