BIANCA EXKLUSIV Band 0174
Doch Anne lenkte ab, indem sie fragte: „Wenn Sie nicht als ein Westfield aufgewachsen wären, hätten Sie sich auch dann für Ihren Beruf entschieden?“
„Für mich war es schon immer wichtig, Menschen zu helfen. Vielleicht wäre ich Arzt oder Polizist geworden. Und Sie? Haben Sie jemals etwas anderes als jetzt tun wollen?“
„Eigentlich nicht.“ Seit sie denken konnte, war sie darauf aus gewesen, alles über ihre Vergangenheit zu erfahren, und hatte sich aus diesem Grund die Nachforschungsagentur gewählt. Doch Anne sprach nicht gern über sich. „Wie war Ihre Kindheit?“
„Der reinste Zoo. Die schönsten Zeiten verbrachte ich auf dem Familienbesitz der Westfields. Und Ihre Kindheit?“
„Behütet, verwöhnt, einsam.“
John runzelte die Stirn. „Keine Freunde?“
„Nein – zumindest nicht zuerst. Ich unterschied mich zu sehr von den übrigen Kindern.“
Wie grausam die sein konnten, wusste er. Bestimmt hatte man über sie gelacht, und das musste ihr weh getan haben. Plötzlich kämpfte er hart gegen das Verlangen an, Anne in die Arme zu schließen und sie zu trösten. „Carl und Celia halfen Ihnen sicherlich, sich anzupassen.“
„Ja, natürlich. Sie kauften mir Kleider der neusten Mode, und ich bekam den Haarschnitt, der gerade ‚in‘ war. Sie unterstützten mich, Lesen und Schreiben zu lernen und richtiges Englisch zu sprechen. Sie brachten mir sogar den hiesigen Dialekt bei. Und sie ließen mich die beliebtesten Fernsehserien anschauen, damit ich in der Schule mitreden konnte.“
„Hat Ihnen das alles genützt?“
„Letztendlich schon.“ Schließlich war es ihr gelungen, den sogenannten Kulturschock durchzustehen und sich einzugewöhnen.
Auf einmal duckte sich John. „Ach du meine Güte, schon wieder hat man mich erkannt.“
„Es ist für Sie anscheinend nicht so einfach, allein auszugehen, nicht wahr?“
„Nein. Ich dachte, ich sei auf solche Dinge vorbereitet, da ich bereits seit vielen Jahren im Staatsdienst bin. Doch ich habe mich gewaltig geirrt und stehe jetzt noch viel mehr im Rampenlicht. Wo immer ich auftauche, werde ich mit Bitten um ein Autogramm, einen Gefallen und sonst etwas bedrängt, oder ich muss mir irgendwelche Beschwerden anhören. Dabei brauche ich unbedingt ein bisschen Freizeit von meinem Job, um mich vom Stress zu erholen.“
„Auch ich leide unter Stress, wenn ich überarbeitet bin oder unter Druck gesetzt werde“, gestand Anne. „Manchmal sage oder tue ich etwas, das ich später bereue.“
„Das geht uns allen so.“ Mit einem Lächeln ließ John sie wissen, dass sie diese Dinge nicht zu ernst nehmen sollte.
„Und was machen Sie dann?“
„Ich entschuldige mich für meinen Fehler, versuche, ihn in Ordnung zu bringen, und mache weiter.“
Inzwischen waren sie mit dem Essen fertig, doch John dachte nicht an Aufbruch. Ihm gefiel es, so zu sitzen und sich mit Anne zu unterhalten. „Müssen Sie viel arbeiten, Anne?“
„Ja, sehr viel. Seit zwei Jahren kann ich nur in meiner Agentur arbeiten. Aber in den sechs Jahren davor hatte ich außerdem noch einen Job, um über die Runden zu kommen. Leider muss ich wohl bald wieder als Dolmetscherin tätig sein.“ Für die Suche nach Robert Ryan hatten sich eine Menge Rechnungen angehäuft, die noch nicht ganz bezahlt waren.
„Darüber sind Sie offenbar nicht sehr glücklich“, bemerkte John einfühlsam.
„Nein, überhaupt nicht. Ich möchte entweder einen Teilzeitjob oder eine Spende für meine Agentur.“ Anne hoffte, die von Robert Ryan zu erhalten, wenn er mehr über ihre Arbeit und ihre Erfolge erfahren würde.
„Wie wäre es mit dem Organisationsjob in meinem Büro? Wir brauchen noch immer jemanden, und zwar schnellstens, der alles für den Vierten Juli vorbereitet.“
Eine Party zu planen war im Vergleich zum Aufbau der Agentur ein Kinderspiel. Anne bezweifelte nicht, dass sie dazu fähig wäre, diesen Job brillant zu erledigen. Doch sie wollte es genauer wissen und fragte misstrauisch: „Wieso denken Sie ausgerechnet an mich?“
Lachend ergriff John ihre Hand. „Vielleicht, weil ich Sie im Auge behalten möchte.“
„Das nehme ich Ihnen nicht ab. Versuchen Sie es anders.“ Und sei diesmal ehrlich, fügte sie im Stillen hinzu.
Er wurde ernst. „Vielleicht, weil ich Sie gern um mich habe.“
Das konnte Anne glauben, denn sie empfand ähnlich. Nur würde sie das keinesfalls eingestehen. „Versuchen Sie es nochmals.“
„Weil Lily einen Nervenzusammenbruch erleidet, wenn ihr
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