BIANCA EXKLUSIV Band 0174
müssen.“
„Seien Sie doch nicht so hart zu sich“, bat John. Er wollte offensichtlich, dass sie sich verzieh und das Zusammensein mit seiner Familie genoss. Aber das konnte sie nicht. Sie dachte zu sehr daran, dass sie als Halbasiatin schon immer Schwierigkeiten gehabt hatte, sich den Amerikanern anzupassen.
„Warum nehmen Sie diese belanglose Sache so schwer?“, fuhr er fort. „Machen Sie doch keine internationale Krise daraus.“
Tränen schimmerten in ihren Augen, und sie senkte den Kopf. Was für ein Tag! Sie war von den Westfields ins Kreuzverhör genommen worden und hatte versuchen müssen, sich an einem fremden Ort unter fremden Menschen heimisch zu fühlen. Zum hundertsten Male fragte sie sich, warum sie eigentlich hier war. Und jetzt begriff sie auch, warum es Melinda so schwer gehabt hatte, eine Westfield zu sein. Von denen erwartete man, dass sie sich sportlich betätigten, siegten, charmant, zäh und fürsorglich waren – aber vor allem, dass sie sich nie unterkriegen ließen oder irgendwelche Schwächen zeigten.
„Sie verstehen nicht“, sagte sie leise. „Solche Dinge passieren mir dauernd. Ich versuche, mich einzufügen, und je mehr ich es versuche, desto weniger gelingt es mir.“ Und das hasste Anne. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dazuzugehören.
Er schaute sie lange an, und all sein Mitgefühl spiegelte sich in seinen Augen wider. „Jetzt geht es wohl nicht mehr um diesen Kartoffelsalat, sondern um etwas ganz anderes, nicht wahr, Anne?“ Plötzlich nahm er sie in die Arme und hielt sie fest.
Erst nach einer Weile sagte Anne zögernd: „Wir sollten zurückgehen.“
„Ich habe es nicht eilig. Außerdem wollte ich, dass Sie die Torte probieren.“ Er ließ Anne los, stach mit der Gabel ein Stückchen von der Torte ab und schob es Anne zwischen die Lippen.
Seit Jahren war sie nicht mehr so liebevoll umsorgt worden. Ihr schmeckte der cremige Bissen, der in ihrem Mund schmolz, einfach köstlich.
„Nun, wie ist es?“, erkundigte sich John.
Ihr fiel es schwer zu schlucken, weil er sie so eindringlich ansah. „Himmlisch.“
Lächelnd stellte er den Teller weg und schloss sie wieder in die Arme. „Nein“, verbesserte John. „Das hier ist himmlisch.“
Er hatte recht, dachte Anne Sekunden später benommen, als er sie zart küsste. Das war himmlisch. Nur zögernd gab er sie frei. „Möchten Sie immer noch zurück?“, fragte er heiser. „Oder wollen Sie noch ein bisschen am Strand entlangschlendern?“
Das wollte sie nur zu gern. Doch der Anstand gebot ihr einzuwenden: „Aber Ihre Familie …“
Schmunzelnd unterbrach er Anne. „Das ist das Gute an einer so großen Familie. Kein Mensch wird uns vermissen. Außerdem brauchen Sie bestimmt ein bisschen Ruhe. Ich übrigens auch, um ehrlich zu sein. Diese endlosen gesellschaftlichen Veranstaltungen können einen ganz schön ermüden – sogar uns Westfields.“
Während der nächsten Minuten spazierten sie gemächlich Hand in Hand am See entlang, in dem sich das Mondlicht spiegelte. Nach einiger Zeit erkundigte sich Anne: „Ist hier das Ende Ihres Familiebesitzes?“ Sie waren an einer Felsenhöhle angelangt, vor der der Weg aufhörte.
„Ja.“ John fasste Anne an den Schultern und drehte sie zu sich um. Dann umarmte er sie.
Den ganzen Tag über hatte sie sich als Außenstehende gefühlt, doch nun plötzlich nicht mehr. Schon nach ein, zwei Sekunden wusste sie, dass sie zu Hause war, dass sie diesen Mann kannte und er all das verkörperte, was sie sich je erträumt hatte. In seinen Armen vergaß sie Zeit und Raum und brauchte sich um nichts zu sorgen.
Anne spürte Johns harten Schenkel an ihrem, und sie spürte, wie erregt John war. Er wollte sie und begehrte sie leidenschaftlich. Als er sie fest an sich presste, sehnte auch sie sich maßlos nach ihm. Sie scheute sich nicht, es ihm zu zeigen, indem sie ihn mit aller Kraft umarmte.
Plötzlich hörten sie einige Jugendliche, die schwatzend und lachend näher kamen. „Aus mit der Privatsphäre“, murmelte John und zog sich widerwillig zurück.
Anne, die ihn anschaute, dachte: Er sieht genauso aus, wie ich wahrscheinlich aussehe. Das Haar war vom Wind und ihren Fingern zärtlich zerstrubbelt, die Lippen feucht und geschwollen von den leidenschaftlichen Küssen.
„Offenbar sind wir nicht die Einzigen, die ein bisschen Abgeschiedenheit suchten“, bemerkte John halb spöttisch, halb enttäuscht.
„Anscheinend nicht“, bestätigte Anne, die versuchte, sich
Weitere Kostenlose Bücher