BIANCA EXKLUSIV Band 0180
Pflegemutter, aber sie ist die leibliche Mutter. Und sie ist volljährig.“
„Können wir nichts dagegen tun?“
„Sie schon. Aber was hätten Sie davon? Wenn wir ihr das Kind nicht übers Wochenende lassen, wird sie die Adoptionsurkunde niemals unterschreiben.“
„Oh, Tom“, schluchzte Tori leise.
„Ich weiß, es ist schrecklich. Aber wir mussten jederzeit damit rechnen. Vielleicht ist es nur ein Teil des Ablösungsprozesses, den sie durchmacht. Sie dürfen die Hoffnung nicht aufgeben.“
„Wann … wann will sie Andy abholen?“
„Wenn Sie einverstanden sind, heute Nachmittag gegen vier. Wollen Sie mit Andy zu mir ins Büro kommen?“
„Nein. Das macht keinen Sinn. Sie kann ihn bei mir abholen.“
„Wenn Sie den Kontakt mit ihr vermeiden wollen, kann ich die Sache übernehmen“, bot der Anwalt an.
„Kontakt oder nicht, das ist im Moment völlig egal. Ich habe mir vorgenommen, nicht hysterisch zu werden. Aber wenn Sie heute Nachmittag hier sein wollen, hätte ich auch nichts dagegen.“
„Gute Idee. Ich werde die Übergabe genau dokumentieren. Vielleicht interessiert sich der Familienrichter dafür.“
Wie durch einen Nebelschleier hörte Tori sich die Anweisungen ihres Anwalts an. Nachdem Tom aufgelegt hatte, blätterte sie durch ihr elektronisches Telefonbuch und wählte Jakes Nummer.
12. KAPITEL
Jake hatte sich in die Arbeit gestürzt, um sich die Begegnung mit Marions Mutter möglichst schnell aus dem Kopf zu schlagen. Das galt auch für die Fragen, die er in Toris Blick entdeckt hatte. Fragen, die er nie hatte beantworten wollen. Weil er die Antwort nicht kannte.
Auf jeden Fall wollte er verhindern, dass die ganze Geschichte wieder aufgewärmt wurde. Aber als Tori ihm am Telefon erzählt hatte, dass Barbara Andy über das Wochenende zu sich nehmen wollte, hatte er sich genauso attackiert gefühlt wie sie. Er traf gerade rechtzeitig bei Tori ein, um Barbara mit Andy auf dem Arm auf der Veranda zu entdecken. Tori stand im Türrahmen neben ihrem Anwalt. Das Blut war ihr vollkommen aus den Wangen gewichen.
Auch Barbara war blass, aber ihre Augen leuchteten. „Ich bringe ihn Sonntagabend zurück, egal, wie ich mich danach entscheide.“
„Hast du einen Kindersitz für das Auto?“, wollte Tori wissen.
„Ja. Ausgeliehen. Von einer Freundin meiner Mutter. Babynahrung und Windeln und alles andere habe ich mir gekauft.“
Barbara warf Jake einen letzten Blick zu, drehte sich weg und eilte mit Andy zu ihrem Wagen.
Die Zeit schien stillzustehen. Reglos sahen Jake, Tori und Tom zu, wie Barbara Andy im Wagen anschnallte und wegfuhr.
„Das wird ein langes Wochenende“, seufzte Tori wehmütig auf. Dann gab sie sich einen Ruck. „Es macht mich verrückt, das ganze Wochenende trübsinnig hier herumzuhocken und auf Barbaras Entscheidung zu warten. Vielleicht sollte ich in die Galerie gehen und …“
Jake unterbrach sie. „Stopp. Ich habe eine bessere Idee. Lass mich mal telefonieren.“
Neugierig schaute Tori ihm nach, als er in der Küche verschwand.
Als er zehn Minuten später ins Wohnzimmer zurückkam, hatte ihr Anwalt sich bereits auf den Heimweg gemacht. Tori saß auf dem Sofa und betrachtete die Fotos, die sie vor Kurzem hatte entwickeln lassen.
„Wenn du Lust hast, könnten wir wegfahren. Ein alter Freund hat eine kleine Blockhütte in der Nähe von Chimayo. Er benutzt sie nur selten und überlässt sie uns fürs Wochenende. Sie ist zwar schlicht eingerichtet, aber sie hat Elektrizität und fließendes Wasser. Morgen könnten wir wandern gehen. Abends wirst du dann so müde sein, dass du die ganze Nacht durchschläfst. Oder wir fahren zum White Rock Overlook, um an den Klippen entlangzuwandern. Alles, was du willst.“
„Aber wenn Barbara mich erreichen will …“
„Du hast ein Handy.“
„Und wenn das Netz in den Bergen ausfällt?“
Er strich Tori über die Schultern und rieb dann mit dem Daumen über ihre Wange. „Du kannst von jedem Telefon aus deinen Anrufbeantworter abhören. Abgesehen davon werden wir einfach in den Tag hineinleben. Und nehmen die Dinge so, wie sie kommen. Und jetzt pack deine Sachen“, befahl er ihr. „In knapp einer Stunde sind wir in der Hütte.“
Unterwegs hielten sie an, um Lebensmittel einzukaufen, und fuhren dann weiter auf der Route 503. Schweigend saßen sie nebeneinander, bis sie in Chimayo angekommen waren. Die Klippen waren umhüllt von nachtblauem Nebel. Auch die rotbraune Erde war von der Dunkelheit verschluckt.
Tori wusste
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